Die vier Grenzen der KI

Mit einem Kommentar von

Dr. Bob Neubert

Wirtschaftsprüfer / Steuerberater

Knapp 40 Milliarden Dollar haben die US-Techgiganten im 1. Quartal in den Ausbau ihrer Rechenzentren gesteckt. Im Wettlauf um die Kapazitäten ist Europa inzwischen weit abgeschlagen.

Als Mark Zuckerberg Ende April Metas neueste Geschäftszahlen vorstellte, sackte der Aktienkurs seines Konzerns innerhalb von Minuten um über zehn Prozent ab. Denn Zuckerberg sprach offen über die Kosten seiner Wette auf künstliche Intelligenz.

„Ich erwarte einen mehrjährigen Investitionszyklus, bevor wir Meta AI vollständig skaliert haben“, sagte Zuckerberg, dann legte seine Finanzchefin Susan Li Zahlen auf den Tisch: Allein im vergangenen Quartal hat Meta mehrere Milliarden Dollar in Infrastruktur für das Training und den Einsatz künstlicher Intelligenz investiert. Konkret kauft Meta neue Server, entwickelt Chips, baut neue Standorte auf, sichert sich Energiekontingente und Platz für seine künftigen Rechenzentren – alles, um im Rennen um die Entwicklung der künstlichen Intelligenz vorne dabei zu sein.

„Die Investitionsausgaben (…) beliefen sich auf 6,7 Milliarden US-Dollar und waren auf Investitionen in Server, Rechenzentren und Netzwerkinfrastruktur zurückzuführen“, sagte Li. Meta wette aktuell voll auf die künftigen Möglichkeiten generativer künstlicher Intelligenz. „Wir gehen davon aus, dass eine ausreichende Infrastrukturkapazität für die Realisierung vieler dieser Möglichkeiten von entscheidender Bedeutung sein wird. Daher gehen wir davon aus, dass wir in den nächsten Jahren deutlich mehr in die Infrastruktur investieren werden.“

Das Rennen um die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz ist in vollem Gange – das zeigen die jüngsten Quartalszahlen der US-Techgiganten. Nicht nur Meta investiert aktuell jedes Quartal Milliardensummen in Server, auch Microsoft, Google und Amazon investieren so viel wie nie zuvor in die Infrastruktur für den KI-Boom. Knapp 40 Milliarden Dollar haben die US-Riesen im Frühjahrsquartal in den Ausbau ihrer Rechenzentren gesteckt. Laut Analystenerwartungen ist das erst der Anfang des Booms: „Aktuell gibt es Investments wie im Goldrausch von Dienstanbietern in Märkten, die große GenAI-Projekte wie Server und Halbleiter unterstützen“, schreibt John David Lovelock, KI-Analyst beim Branchendienst Gartner, in einer aktuellen Analyse „Im Jahr 2024 werden KI-Server fast sechzig Prozent der gesamten Serverausgaben von Hyperscalern ausmachen.“ Noch planen viele Firmen erst den Einsatz künstlicher Intelligenz, Lovelock erwartet erst 2025 die Ausführung der Pläne. Doch bereits jetzt musste Microsoft bei der Vorstellung seiner Quartalszahlen eingestehen: Hätte man mehr Server-Kapazitäten frei gehabt, hätte man bereits jetzt mehr Umsatz mit KI machen können.

Das Rennen um die KI wird aktuell von den Engpässen beim Ausbau der nötigen Rechenzentren bestimmt. Allen Akteuren fehlen aktuell Kapazitäten für das Training der künstlichen Intelligenz, alle bauen aus – doch dieser Ausbau ist nicht unbegrenzt möglich. Erster Engpass ist der Kapitaleinsatz, selbst die großen US-Konzerne können nicht – das zeigt die Reaktion etwa der Meta-Aktionäre – unlimitiert investieren. Der Boom beim Aufbau neuer Rechenzentren der US-Firmen stellt die Firmen nicht nur finanziell vor eine Herausforderung. Auch die physischen Kapazitäten für den Ausbau stoßen bereits jetzt an ihre Grenzen.

Die von Gartner angeführten KI-Server setzen auf spezielle Chips für das Training künstlicher Intelligenz, auf sogenannte GPUs. Die aber können aktuell nur zwei Hersteller weltweit liefern: Nvidia und der kleinere Konkurrent AMD. Beide Hersteller stehen aktuell vor dem Problem, dass die Bestellungen ihre angemieteten Produktionskapazitäten bei Auftragsfertigern übersteigen. Mehr noch, auch die speziellen Speicherchips für das KI-Training, die der Zulieferer SK Hynix baut, sind laut einer Meldung des Unternehmens von Anfang Mai bereits bis 2025 ausverkauft. Angesichts steigender Preise und sinkender Verfügbarkeit für die Chips setzen Amazon, Meta, Google und Microsoft inzwischen auf eigene Chipdesigns. Amazon-CEO Andy Jassy betonte in seinem jüngsten Brief an seine Aktionäre, das eigene KI-Chips entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit im Wettlauf um die KI sind. Doch auch diese Chips müssen aktuell bei der taiwanesischen Chipschmiede TSMC gebaut werden, die als einziger Hersteller aktuell die Produktionsverfahren für Chips der neuesten Generation beherrscht – und deren Werkbänke aktuell voll ausgelastet sind.

Der nächste Engpass beim Ausbau resultiert aus dem enormen Energiehunger der KI-Chips: Allein auf dem US-Markt wird laut einer McKinsey-Analyse die Strom-Nachfrage bis 2030 voraussichtlich 35 Gigawatt erreichen, gegenüber 17 Gigawatt im Jahr 2022. Mehr noch, Google, Microsoft, Amazon und Meta haben sich allesamt dazu verpflichtet, für ihre Rechenzentren einen wachsenden Anteil erneuerbarer Energie einzusetzen. Der vom McKinsey erwartete Energiebedarf wird absehbar den Zubau erneuerbarer Energien zumindest in den USA überschreiten. Schon gehen Google, Amazon und Microsoft eigene Deals mit Windpark-Betreibern weltweit ein, um sich entsprechende Kapazitäten zu sichern.

Nicht zuletzt suchen die Firmen aktuell nach geeigneten Standorten für ihre Server: Flächen mit ausreichenden Kapazitäten bei Kühlung, Energie, Internetanbindung und Fachkräften werden aktuell gefragter denn je. Hinzu kommen lokale Auflagen, etwa in Deutschland, wo künftig die Betreiber zur Zweitverwertung ihrer Abwärme verpflichtet werden.

Seltsam außen vor bleibt bei diesem Wettlauf ausgerechnet Europa: Während die US-Konzerne Milliarden-Investments betreiben und Billionen-Investments planen, gibt es hierzulande fast keine vergleichbaren Projekte. Als der deutsche KI-Pionier Aleph Alpha Ende 2022 sein deutsches Rechenzentrum eröffnete, war „Alpha One“ das leistungsfähigste seiner Art in ganz Europa – und stand im internationalen Vergleich doch nur auf Platz 72. Alpha One setzt auf 512 GPU-Chips von Nvidia. Zuckerberg will bis Ende des Jahres in seinen Rechenzentren 350.000 dieser Nvidia-GPUs einsetzen. Investments in KI in der Dimension, die Meta, Google, Amazon und Co betreiben, fehlen in Europa komplett.

Laut einer Analyse der französischen Denkfabrik „club praxis“ vom Februar 2024 investiert Europa im laufenden Jahr etwa zwei Milliarden Euro in KI-Infrastruktur. In den USA sind es über 100 Milliarden Dollar. Angesichts der Vorlaufzeit für neue Rechenzentren und der Auftragslage der Chiphersteller ist damit bereits jetzt der Rückstand Europas im Bereich KI fest zementiert. KI-Forschungsprojekte für grundlegende Modelle, die für ihr Training die Rechenleistung von zehntausenden Chips benötigen, sind hierzulande auf absehbare Zeit fast unmöglich. Wer sich dennoch daran versuchen möchte, muss die Rechenzeit dafür teuer einkaufen – bei Amazon, Google, Microsoft und Co.

BANSBACH kommentiert

Deutschland hat kein eigenes Meta und auch kein eigenes Google. Was Innovationen und Tatkraft im Zuge von künstlicher Intelligenz angeht, hinken wir den Vereinigten Staaten hinterher – und das, obwohl wir Deutschen beispielsweise zur Entwicklung von KI-Algorithmen (wie dem aus den späten 90ern stammenden Long short-term memory) wichtige Beiträge geleistet haben.

Allerdings entsteht aus deutschen Forschungen häufig zu wenig. Wissenschaftliche Papiere werden von Universitäten zwar belohnt, aber oft nicht in Produkte umgesetzt. Außerdem halten im Gegensatz zu den USA in Deutschland die Lehrstätten die Rechte an den Technologien. Das erschwert die Unternehmensgründung nach einer erfolgreichen Publikation.

Aber: 2023 wurden in Deutschland 341 Start-ups mit einer Verbindung zu künstlichen Intelligenzen gegründet. Viele von ihnen haben einen Bezug zu generativer künstlicher Intelligenz, wie beispielsweise ChatGPT oder Dall-E – und nur ein Viertel haben bereits ein Produkt auf dem Markt. Für einen erfolgreichen Eintritt in den Markt braucht es aber vor allem eines: Kapital. Vor allem solche Start-ups, deren Produktentwicklung sehr forschungsintensiv ist. Die meisten Experten und Rechenzentren dazu gibt es in den USA (und China). Dort ist weitaus mehr Kapital vorhanden, wird mehr investiert.

Doch warum? Kluge Köpfe können auch hier gefördert werden. Das stimmt – allerdings gibt es weltweit kaum einen so datengeschützten Raum wie die Europäische Union, geschweige denn Deutschland. Das schränkt ein: An die Datenmengen, die zum Training künstlicher Intelligenzen benötigt werden, kommt man nur schwer. Da fühlen sich kreative Köpfe schnell blockiert, wenn sie überhaupt nicht wissen, ob die entwickelten Modelle jemals das Licht der Welt erblicken (können).

Wie geht die Bundesregierung diese Problematiken an? Wie es aussieht sehr konkret. Noch 2024 soll die DATI, die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, gegründet werden und ihre Arbeit aufnehmen. Das Ziel der DATI: Forschungsergebnisse wirtschaftlich und gesellschaftlich anwendbar machen. Das klingt jedenfalls so, als könnten aus den Ideen, die in unseren Universitäten geboren werden, doch Unternehmen heranwachsen.

Man sorgt sich wohl um Abhängigkeiten, die entstehen könnten, wenn man nicht selbst ganz vorne mitmischt. Das braucht es nicht – und das wird auch nur schwerlich geschehen. Das Land, dessen Bundeskanzlerin 2013 verkündet hat, dass „das Internet für uns alle Neuland ist“, produziert zwar das drittgrößte Bruttoinlandsprodukt, wird aber weiterhin eher nur zögerlich bei neuen Technologien voranschreiten.
Es braucht aber auch Deutschland nicht an vorderster Front beim Kampf um die künstliche Intelligenz. Es braucht Besonnenheit und Weitsicht – sowie die Fähigkeit zu erkennen, wann und wie unsere Gesellschaft von der neuen nicht-menschlichen Unterstützung profitieren kann.

    Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Formular zur Beantwortung meiner Nachricht erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach abgeschlossener Bearbeitung gelöscht. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.
    Vielen Dank für Ihre Nachricht.Ihre Anfrage ist soeben bei uns eingegangen.
    Wir werden uns in Kürze bei Ihnen melden.
    Zurück zur Übersicht