Eigentümer und Mieter im Grundsteuer-Schock

Mit einem Kommentar von

Marco Pflum

Rechtsanwalt

Mit dem Jahresende rückt auch der Starttermin für die neue Grundsteuer immer näher. Ab dem 1. Januar müssen Grundeigentümer die Abgabe auf Basis der neuen Grundsteuermodelle in ihren Bundesländern zahlen – jedenfalls theoretisch, denn kaum eine Kommune wird es bis dahin geschafft haben, aktualisierte Grundsteuerbescheide an die Bürger zu senden.

Gut möglich also, dass am 15. Februar sogar noch der alte Steuerbetrag vom Finanzamt eingezogen beziehungsweise in Rechnung gestellt wird. Doch dann sollte es zügiger gehen, und Millionen von Grundstückseigentümern werden einen Bescheid erhalten. Zwar hatte der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz Aufkommensneutralität versprochen, doch klar ist schon jetzt: Für viele wird es zum Teil drastisch teurer werden. Ob es in gleicher Größenordnung für andere Steuerzahler innerhalb einer Gemeinde dagegen billiger wird, ist fraglich. Es droht viel Ärger. WELT erklärt, was Eigentümer – und Mieter, denn auf sie darf die Gemeindesteuer umgelegt werden – jetzt wissen müssen.

„Den Steuerbescheid sollte man sich noch einmal gut anschauen“, sagt Sybille Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik des Verbands Haus & Grund. Sie macht allerdings wenig Hoffnung: „Widerspruch dürfte zum jetzigen Zeitpunkte nur noch wenig nützen“, so die Expertin weiter. „Wenn der Grundsteuerwert erst einmal festgelegt ist, kann das Finanzamt nur noch nach der bestehenden Rechenformel vorgehen.“ Und über diesen Grundsteuerwert beziehungsweise den neu berechneten Immobilienwert haben die Finanzämter bereits informiert. Der richtige Zeitpunkt für einen Einspruch wären die ersten vier Wochen nach der Zuschrift gewesen.

Nur falls sich noch grobe Fehler in der Wertermittlung herausstellen, könnte sich eventuell noch etwas ändern lassen. Wie sich vereinzelt herausstellt, haben manche Bürger bei der Steuererklärung für ihre Eigentumswohnung die gesamte Grundstücksgröße angegeben, und nicht nur die nach Eigentumsanteil ihrer Wohnung zuzurechnenden Quadratmeter. Hier gibt es Berichte über nachträgliche Korrekturen. Im offenen Dialog mit dem Finanzamt könnten sich solche Fehler noch korrigieren lassen. Es gilt allerdings auch: „Ein Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung“, so Haus-&-Grund-Expertin Barent. Jeder ist also dazu verpflichtet, zunächst den neuen Grundsteuerbetrag zu zahlen.

Weiterhin könnte das Finanzamt selbst Fehler in der Steuerformel gemacht haben. Im Grunde ist die Grundsteuerformel einfach: Der Immobilienwert wird multipliziert mit der Steuermesszahl und mit dem Hebesatz (geteilt durch hundert) der Gemeinde. Stimmt das Ergebnis? Ein Beispiel für Berlin: Grundsteuerwert x Steuermesszahl 0,00031 x 4,7 (Hebesatz 470/100) = jährliche Grundsteuer. Auch über die Messzahl haben die Finanzämter meist schon informiert, man kann die gesamte Formel also nachprüfen. Messzahl und Hebesatz werden für gewöhnlich online veröffentlicht.

Der Eigentümerverband Haus & Grund sowie der Bund der Steuerzahler haben Musterklagen angestrengt. Darin wird angezweifelt, ob die Neubewertung der Grundstücke nach dem Bundesmodell verfassungsmäßig ist. Elf der 16 Bundesländer wenden das Bundesmodell an. Hamburg, Niedersachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern haben eigene Modelle, das Saarland und Sachsen haben das Bundesmodell leicht variiert. Einige Musterklagen liegen beim Bundesfinanzhof. Dabei geht es um Kritik an der Anwendung des Bodenrichtwerts, die sich auf „systematische Bewertungslücken“ beziehen. Es gibt noch weitere anhängige Verfahren, die Aktenzeichen lauten: 3 K 3142/23, 3 K 3170/22, 4 K 1189/23, 4 K 1190/23, 4 K 1217/23 und 4 K 1205/23.

Hauptargument: Die Bodenrichtwerte, die in die Berechnung einfließen, sind nicht vergleichbar. Zur Veranschaulichung liefern die Experten oft ein Beispiel aus Berlin: Im begehrten Stadtteil Wannsee seien Bodenrichtwerte nur halb so hoch wie im augenscheinlich weniger attraktiven Neukölln. Ursache dafür ist die Markttätigkeit: Investoren haben durch viele Käufe den Wert in Neukölln nach oben getrieben, während Villen in Wannsee eher selten gehandelt werden „Eigentümer können sich auf diese Musterklage berufen und Einspruch gegen ihren Feststellungsbescheid über den Grundsteuerwert beim Finanzamt einlegen sowie das Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen beantragen“, teilt Haus & Grund mit.

Allerdings gelten die Erfolgsaussichten als gering. Ende September hat das Finanzgericht Köln als Erstes eine Musterklage abgewiesen (und an den Bundesfinanzhof weitergereicht). Die Berechnungen neuer Immobilienwerte nach der komplexen Bundesformel mit Bodenrichtwerten, Baualtersklassen und Mietwerten sei nicht zu beanstanden, hieß es. Gleichbehandlungsgrundsätze seien nicht verletzt worden. Auch in Stuttgart wurde eine Klage gegen das Baden-Württembergische Modell abgewiesen.

Eigentümer sind dann berechtigt, zum Januar-Termin noch den Betrag anzuweisen, den sie auch in den vorangehenden Quartalen gezahlt haben. Über- oder Unterzahlungen werden dann mit der nächsten Abbuchung verrechnet. Städte und Gemeinden können den Hebesatz für das laufende Steuerjahr übrigens noch bis Ende Juni des jeweiligen Steuerjahres ändern. Wie bisher müssen weiterhin auch Mieter meist Grundsteuer zahlen, denn der Vermieter kann die Abgabe über die Nebenkostenabrechnung auf sie umlegen. Das muss allerdings explizit im Mietvertrag festgehalten sein bzw. es muss im Vertrag auf Paragraf 2 der Betriebskostenverordnung verwiesen werden.

Manche Vermieter übernehmen bisher ihrerseits die Grundsteuer. Das könnten sie sich künftig noch einmal anders überlegen.

BANSBACH kommentiert

Zum 01.01.2025 startete die neue Grundsteuer. An diesen Punkt zu gelangen bedeutete für alle Beteiligten eine gewaltige Anstrengung: Immobilieneigentümer, die nicht steuerlich vertreten werden, kämpften mit einem schwer verständlichen Abgabeprozess, während die Behörden zunächst die Menge der Grundsteuererklärungen bewältigen mussten und anschließend eine Flut von Einsprüchen bearbeiteten.

Für uns als Steuerberater war die Reform der Grundsteuer zwar auch sehr arbeitsreich, aber absolut machbar. Wir konnten zeigen, dass unsere Mandanten sich wie üblich auf uns verlassen konnten.

Warum die Grundsteuer überhaupt reformiert werden musste, ist mittlerweile gut bekannt. Hintergrund war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Bis zum 01.01.2025 wurde die Grundsteuer mit sehr veralteten Grundstückswerten (auch Einheitswerte genannt) erhoben. Diese Werte stammten aus dem Jahr 1935 (im Osten Deutschlands) und 1964 (für Westdeutschland).

Nun haben sich die Werte von Grundstücken und Gebäuden in Ost und West seitdem unterschiedlich entwickelt, was aufgrund der veralteten, statischen Werte zu Unterschieden in der steuerlichen Behandlung führte – dies war die Grundlage der gegen die Grundsteuer gerichteten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht und der diesbezüglichen Entscheidung des Gerichts, dass die alte Grundsteuer nicht mehr mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Eine neue Art der Berechnung der Grundsteuer zu entwickeln, war der Auftrag an den Gesetzgeber.

Bereits lange Zeit vor der berühmten Entscheidung des Gesetzgebers wurde das Grundgesetz geändert, wodurch die Gesetzgebungskompetenz für die Grundsteuer in die Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer fiel. Zwar machte der Bund den Ländern einen Vorschlag für ein einheitliches Modell, das sogenannte Bundesmodell, jedoch entschieden sich einige Länder, ein eigenes Modell zur zukünftigen Berechnung der Grundsteuer einzuführen. Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und auch Baden-Württemberg gingen einen eigenen Weg bei der Neuberechnung der Grundsteuer ab dem 01.01.2025.

In Baden-Württemberg gilt mit der neuen Grundsteuer das sogenannte Bodenwertmodell. Die große Änderung dabei: Es wird nicht länger entschieden, ob ein Grundstück bebaut ist oder womit. Es zählt lediglich die Fläche des Grundstücks mit den neuen Bodenrichtwerten.

Daraufhin klagten Hausbesitzer (wie im Artikel erwähnt), die sich von Baden-Württembergs Modell benachteiligt fühlten, da unbebaute Flächen und Gärten ebenso stark besteuert würden, wie bebaute Bereiche. Vermeintlich effizient bebaute Grundstücke – beispielsweise solche, auf denen Mehrfamilienhäuser stehen – würden im Bodenwertmodell außerdem besser abschneiden.

Die Klagen der Hausbesitzer wurden vom Finanzgericht Baden-Württemberg abgewiesen. Dass die Grundsteuer nur anhand von Grund und Boden und nicht von den darauf stehenden Gebäuden erhoben wird, sei mit dem Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz vereinbar. Ob hier bereits das letzte Wort gesprochen wurde, ist allerdings noch unklar: Das Finanzgericht ließ es den Klägern offen, Revision beim Bundesfinanzhof einzureichen, was diese auch taten. Entsprechend gespannt wird die Entscheidung des Bundesfinanzhofs erwartet.

Zwischenzeitlich haben die Kommunen in Baden-Württemberg die Hebesätze ab dem 01.01.2025 veröffentlicht. Beispielsweise hat die Landeshauptstadt Stuttgart bereits im November 2024 entschlossen, die Hebesätze zum 01.01.2025 zu senken. Zuvor lagen die Hebesätze bei 520 Prozent, nun bei 160 Prozent. Diese Änderung könnte sich für Steuerzahler, deren Bodenrichtwert im Rahmen der Neubewertung nicht deutlich gestiegen ist, positiv auswirken.

Dennoch wird es bei der neuen Grundsteuer auch Verlierer geben. Zwar wurde durch die Vertreter von Ländern und Kommunen betont, dass die Grundsteuer (unabhängig vom verwendeten Berechnungsmodells) aufkommensneutral gestaltet werden soll. Das bedeutet, dass den Gemeinden durch die reformierte Grundsteuer keine Mehreinnahmen und keine Verluste entstehen sollen. Der Hebel, um das zu erreichen, ist für Gemeinden der Hebesatz, der letztendlich die Höhe der Grundsteuer bestimmt. Ist ein passender Hebesatz gefunden, sollte dieser folgend nicht weiter gesenkt und im Umkehrschluss auch nicht weiter erhöht werden. Diese Absichtserklärung ist aber für die einzelnen Kommunen nicht verbindlich.

Ohne ein wegweisendes Gerichtsurteil kann in Baden-Württemberg dennoch nicht auf eine rasche Änderung der im Land umstrittenen Grundsteuer gehofft werden – das schloss Ministerpräsident Winfried Kretschmann nämlich zunächst aus. Man wolle erst ein Jahr abwarten und beobachten, wie das Gesetz sich auswirke und dann überlegen, ob und welche Korrekturen sinnvoll wären.

Und damit warten dann auch etliche Immobilienbesitzer, die durch die neue Grundsteuer auf einen Schlag mit deutlichen Mehrbelastungen zu kämpfen haben.

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