Kein Land für Gründerinnen?

Mit einem Kommentar von

Stefan Neininger

Wirtschaftsprüfer / CVA (Certified Valuation Analyst)

Frauen in Deutschland bauen vergleichsweise selten wachstumsstarke Unternehmen auf. Die Zahlen stagnieren seit Jahren auf niedrigem Niveau. Das wollen Netzwerke mit Unternehmerinnen ändern.

Es war ein Video auf Instagram, das Julia Huhnholz zur Gründerin machte: Mitstreiterin gesucht, hieß die Botschaft, die die damals noch unbekannte Apothekerin Vivien Karl sendete. Die beiden Frauen verabredeten sich zum Lunch – „es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Huhnholz.

Die Marketing-Managerin schaut an diesem Berliner Sommerabend in lauter begeisterte Gesichter. Mehr als 100 Frauen sind auf Einladung des Gründerinnen-Netzwerks Businettes in ein Coworking-Space am Kurfürstendamm gekommen. Eine junge Kosmetikerin ist darunter, die einen veganen Lippenstift zertifiziert hat. Eine erfahrene Managerin aus einem Getränkekonzern möchte Wasser mit Naturextrakten und einem Minimum an Zucker schmackhaft machen.

Eine Agraringenieurin hat mit Kommilitonen einen KI-gelenkten Feldroboter entwickelt. Sie alle wollen sich vernetzen, gegenseitig inspirieren – und als Gründerinnen durchstarten.

Das wäre dringend nötig. Denn Frauen sind, speziell in wachstumsstarken Unternehmensgründungen, bis heute stark unterrepräsentiert. Laut Deutschem Startup-Monitor 2024 ging ihr Anteil unter sämtlichen Startup-Gründern erstmals seit Jahren sogar zurück – auf knapp 19 Prozent (von 21 Prozent im Vorjahr). Das Nachsehen haben Frauen besonders auch beim Geld, die Finanzierung werden deutlich seltener und mit kleineren Summen von Kapitalgebern finanziert. Netzwerke wie Businettes oder Encourageventures sind angetreten, das zu ändern.

„Ich überlegte nicht lange, ging raus aus der bequemen Festanstellung und rein ins Abenteuer“, berichtet Huhnholz ihren Zuhörerinnen. Zwei Jahre ist das her. Seitdem haben die beiden Gründerinnen Investorengelder in Höhe von 1,5 Millionen Euro eingesammelt und acht Mitarbeiter angestellt. Ihr Produkt: Eine Creme gegen Scheidentrockenheit für Frauen in der Menopause. Die Creme unter dem Markennamen Dr. Vivien Karl ist inzwischen in allen Apotheken des Landes erhältlich.

„Gründerinnen in Deutschland brauchen Vorbilder wie Julia Huhnholz und Vivien Karl“, davon ist Victoria Arnhold überzeugt. Auch sie hat zusammen mit einer Frau gegründet: Gemeinsam mit ihrer Studienfreundin Claire Siegert betreibt sie das Netzwerk Businettes, das zu diesem Abend eingeladen. Ihr Ziel: „Wir wollen Gründerinnen Mut machen.“

Mehr als 1000 Frauen sind inzwischen Mitglied der Plattform Businettes. Online können sie sich austauschen, finden Leitfäden und Checklisten für die Gründung und den Geschäftsalltag. Außerdem bekommen sie Einladungen zu Workshops und Events wie dem Treffen in Berlin. „Helft Euch gegenseitig und vor allem: traut Euch, groß zu denken“, das ruft Claire Siegert ihren Gästen an diesem Abend von der Bühne zu.

Startups sind deshalb so relevant, weil sie – anders als zum Beispiel ein Kiosk oder ein Frisörsalon – ein starkes Wachstum anstreben und innovative Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Nach Zahlen des Deutschen Startup-Verbandes, der in seinem Start-up Monitor jährlich fast 2000 Gründungsunternehmen befragt, stagniert der Frauenanteil unter den Gründerinnen allerdings seit Jahren. Er scheint zementiert bei rund 20 Prozent. „Gerade in schwierigen Zeiten scheinen Fortschritte im Bereich Diversität auf der Strecke zu bleiben“, hieß es zuletzt im Report 2023.

Besserung scheint angesichts von stockendem Wirtschaftswachstum und hohen Insolvenzzahlen so bald nicht in Sicht. „Die Wahrnehmung vieler Frauen ist: Als Gründerin muss ich Hürden überwinden, die Gründer nicht kennen. In den aktuellen Krisenzeiten sind diese Hürden besonders hoch“, sagt Heike Hölzner, Professorin für Entrepreneurship und Mittelstandsmanagement an der HTW in Berlin. Mühsam wird es für Gründerinnen bis heute, wenn es ums Geld geht.

Einen massiven Gender-Pay-Gap in der Gründerfinanzierung dokumentierte zuletzt die Unternehmensberatung EY. Danach erhielten im vergangenen Jahr 237 Frauen und 1713 Männer Kapital für ihre Startups. Rein weibliche Gründerteams hatten allerdings nur fünf Prozent aller Jungunternehmen, die Risikokapital bekamen. An sie gingen lediglich zwei Prozent des Kapitals. Ein weiteres ernüchterndes Muster: Je größer die Finanzierungsrunden von Startups wurden, desto kleiner wurde der Anteil von Gründerinnen.

Hölzner will mithelfen, das zu verändern. Sie ist Gründungsmitglied und Co-Vorsitzende des Netzwerks Encourageventures e.V., dem sich rund 700 Investorinnen und Mentorinnen angeschlossen haben. Sie unterstützen mehr als 1100 Startups mit mindestens einer Gründerin im Team.

„Wir haben keinen Mangel an finanzstarken Frauen in Deutschland, aber eine große Zurückhaltung, wenn es darum geht, Geld in Gründungsunternehmen zu investieren. Allein der Begriff Risikokapital vermittelt vielen den Eindruck, hier werde gezockt“, sagt Hölzner. Ihr Verein will aufklären und Mut machen. Er organisiert Workshops und monatliche Pitch-Nights, auf denen Gründerinnen ihre Ideen präsentieren.

Wer nicht allein mit einem fünf- oder gar sechsstelligen Betrag bei einem Unternehmen einsteigen will, kann sich erfahrenen Investorinnen anschließen und lernt bei Encourageventures, wie sogenannte Club Deals gemacht werden. Die Frauen investieren am Ende privat. Wie viele das bisher tatsächlich getan haben, dazu gibt es keine offizielle Statistik.

Gründerin Huhnholz und ihre Partnerin Vivien Karl laufen sich derweil warm für die nächste Finanzierungsrunde. Die Verhandlungen sollen im kommenden Frühjahr beginnen. Huhnholz hat Tipps für alle im Raum, die noch ganz am Anfang stehen und erste Investoren überzeugen wollen: üben, üben, üben.

„Vor dem ersten Pitch muss die Storyline sitzen“, sagt die Gründerin. Was ist das Besondere an der Geschäftsidee? Was der Markt dafür? Das sollte sich in wenigen Sätzen beantworten lassen.

Und falls sich eine Frau frage, ob jetzt der richtige Zeitpunkt in ihrem Leben sei, ein Gründungs-Abenteuer zu wagen, hat Huhnholz, Mutter einer Tochter, auch einen Rat: „Einfach machen! Das ist wie Kinder bekommen, das ist immer anstrengend und nie der richtige Zeitpunkt, aber doch wunderbar!“

BANSBACH kommentiert

Wenn in der Presse über Gründerinnen berichtet wird, dann gibt es oft wenig Informationen darüber, in welchen Branchen Frauen eigentlich besonders aktiv sind. Genau diesem Aspekt ging der Female Founders Monitor 2020 auf den Grund. Das Ergebnis: Gründerinnen finden sich vor allem in der Green Economy, beim Social Entrepreneurship und im Gesundheitssektor. Das ist mit Blick auf traditionelle weibliche Berufe wenig überraschend: Laut Statistischem Bundesamt liegt der Anteil von weiblichen Arbeitnehmerinnen im Gesundheits- und Sozialwesen bei 75 Prozent. Ebenfalls 75 Prozent verzeichnen Erziehung und Unterricht. In den Dienstleistungsberufen rangiert die Quote bei 62 Prozent. Handwerk und Industrie kommen lediglich auf 10 bis 15 Prozent Frauenanteil.

Soll es also mehr Gründerinnen in Deutschland geben – gern auch in den typischen Männerdomänen – so müssen MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) verstärkt schon an die Jüngsten in der Schule herangetragen werden. An Initiativen und Unternehmungen mangelt es nicht. Projekte wie der Bundeswettbewerb Informatik oder der Jugend forscht-Wettbewerb fördern das Interesse an MINT-Berufen und bieten Plattformen, auf denen Schülerinnen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Zum Standard gehören inzwischen auch Workshops und Exkursionen von und zu Unternehmen, Unis und Forschungseinrichtungen.

Doch das allein reicht nicht. Sind Interesse und fachliche Qualifikation bei Frauen gegeben, müssen sie bei der Gründung noch zwei weitere Hürden nehmen: Vereinbarkeit von Familie und Betrieb meistern sowie Kapital beschaffen.

Frauen, die gründen, sind laut Monitor größtenteils zwischen 30 und 40 Jahre alt. Daher fällt die Gründungsphase in die intensive Familienplanungsphase. Zudem fehlt vielen anfangs das nötige Kleingeld, um durchzustarten. Daher rät die Initiative „Deutschland startet“ Frauen zu zwei Gründungsformen: Nebenerwerbsgründung und Teamgründung.

Sich im Nebenerwerb selbständig zu machen bedeutet, sich neben dem Hauptberuf ein zweites Standbein aufzubauen. Die Geschäftsidee kann idealerweise im kleinen Rahmen getestet werden: Ist sie tragfähig, kann mehr daraus werden? Die Kosten bei der Gründung im Nebenerwerb halten sich ebenfalls in Grenzen. Und was die Vereinbarkeit von Familie und Betrieb angeht: Wer Hauptberuf, Nebenerwerb und Kinder unter einen Hut bekommt, der schafft auch den Schritt in den Vollerwerb locker.

Bei der Teamgründung suchen sich Existenzgründer Partner, mit denen sie zusammen gründen wollen. Die Vorteile: durch die Aufteilung von Aufgaben wird Zeit gespart, die Geschäftsidee schneller umgesetzt und bei Krankheit sowie Urlaub muss der Betrieb nicht ruhen. In Gründungsbetrieben, die schon gewachsen sind, kann an eine externe Kinderbetreuung gedacht werden. Dazu braucht es einen Raum im Unternehmen, in dem die Kinder von einer Fachkraft betreut werden.

Die Initiative „Deutschland startet“ empfiehlt, was Gründerinnen in der Praxis schon längst bevorzugen. Die Mehrzahl von ihnen – 60,3 Prozent – hat im Nebenerwerb gegründet. Und nur 40 Prozent der Gründerinnen sind im Vollerwerb tätig. Zu diesem Ergebnis kam der Global Entrepreneurship Monitor, welcher 2022 vom RKW Kompetenzzentrum in Kooperation mit dem Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover erstellt wurde. Zum Vergleich: Männern haben nur zu 35,3 Prozent nebenberuflich gegründet.

Übrigens: wir von BANSBACH beraten schon seit Jahren Existenzgründerinnen und -gründer. Dafür haben wir das Team des BANSBACH Startup-Desk ins Leben gerufen. Wir unterstützen tatkräftig von der Aufstellung oder Analyse eines Geschäftsplans bis hin zu Gesprächen mit Genehmigungsbehörden, finanzierenden Banken sowie mit startupspezifischer Steuer- und Unternehmensberatung. Gemeinsam mit den Gründerinnen und Gründern finden und gehen wir individuelle Wege zum Erfolg.

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