So verschwendet der Staat Steuern

Mit einem Kommentar von

Olaf Gläser

Steuerberater

Das alljährliche Schwarzbuch listet die absurdesten Ausgaben der öffentlichen Hand auf. WELT stellt die krassesten Beispiele vor. Es geht um viele Millionen Euro.

Im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 klaffen Milliardenlücken. Noch konnten sich die Vertreter der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP nicht einigen, an welchen Stellen gespart werden soll, damit die erwarteten Einnahmen und die geplanten Ausgaben im kommenden Jahr zumindest halbwegs zusammenpassen. Geld ausgeben fällt leicht, zumal wenn es nicht das eigene ist, sondern das der Steuerzahler. Sparen dagegen ist umso schwerer. Dabei muss es gar nicht immer um Milliardenbeträge gehen. Das fängt schon bei ein paar Hunderttausend Euro an.

Der Bund der Steuerzahler listet in der 52. Ausgabe seines jährlich erscheinenden Schwarzbuchs 100 Fälle auf, bei denen besonders verschwenderisch mit dem Geld der Bürger umgegangen wird – nicht nur auf der Ebene des Bundes, sondern auch bei Ländern und Kommunen. „Mit dem Schwarzbuch decken wir Missstände auf und stoßen Diskurse über fragwürdige Ausgaben an“, sagt Vereinspräsident Reiner Holznagel. WELT stellt fünf Beispiele für öffentliche Verschwendung von Steuergeld vor.

Trotz verspäteter Züge und schlechten Services erhöht die chronisch klamme Bahn regelmäßig die Preise. Die Unzufriedenheit der Kunden ist groß. Besser soll alles mit der neuen Tochtergesellschaft InfraGo werden. Sie ist für das Streckennetz und alle Bahnhöfe des Staatskonzerns zuständig. Der Bund der Steuerzahler stört sich daran, dass trotz drückender Schuldenlast das Geld bei der Ende 2023 gegründeten Gesellschaft offenbar sehr locker sitzt. Denn bevor die umgruppierten Mitarbeiter in der neuen Einheit überhaupt richtig anfingen zu arbeiten, gab es im Januar zwei Partys: Eine mit rund 300 ausgewählten Gästen samt Politprominenz im Berliner Museumsbau Futurium, wie es im Schwarzbuch heißt, eine im Hamburger Eventlokal Schuppen 52 für 2000 Bahn-Mitarbeiter. Die Veranstaltung in Berlin kostete demnach rund 330.000 Euro – also rund 1100 Euro pro Gast. Für die Runde in Hamburg flossen sogar 1,4 Millionen Euro.

Der InfraGo AG sei es gut 1,7 Millionen Euro wert gewesen, um sich bei einem ausgesuchten Kreis bekannt zu machen und „Aufbruchstimmung bei allen Führungskräften zu initiieren“, wie nach Angaben des Steuerzahlerbunds eine Konzernsprecherin sagte. Die Kritik im Schwarzbuch fällt deutlich aus: „Der hoch verschuldete Bahnkonzern muss besonders effizient mit den knappen eigenen und öffentlichen Mitteln umgehen, um sowohl die Bahn-Infrastruktur als auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verbessern“, heißt es dort. Teure Feierlichkeiten seien den Steuerzahlern nicht zuzumuten.

Wer regelmäßig auf der Autobahn 1 zwischen Reinfeld und Lübeck in Schleswig-Holstein unterwegs ist, kennt die elektrischen Oberleitungen, die dort über der Fahrbahn gespannt sind. Es ist eine Teststrecke für elektrisch angetriebene Oberleitungslastwagen. Der Bund der Steuerzahler forderte schon vor fünf Jahren ein Ende des Projekts, weil „weder neue Erkenntnisse zu erwarten waren noch eine Übernahme der Technologie in den Alltagsbetrieb“. Es sei schlicht keine Alternative für die Lösung der Verkehrsprobleme der Zukunft, da es vollkommen ausgeschlossen sei, dass über großen Teile des europäischen Fernstraßennetzes Oberleitungen installiert werden. Die großen Nutzfahrzeughersteller hätten dies längst erkannt und sich von dem Ziel verabschiedet, die Technik zu Marktreife zu bringen.

Es sei deshalb überfällig, dass nun auch der „E-Highway“ in Schleswig-Holstein vor dem Aus steht. Ende des Jahres soll es so weit sein. Der Steuerzahlerbund beziffert die Kosten bis dahin auf mehr als 30 Millionen Euro. „Die beste und schnellste Lösung zur Reduzierung der Klimabelastungen durch den Güterverkehr ist der Ausbau von Eisenbahn und Schifffahrt“, heißt es im Schwarzbuch. Hier fehlten jetzt die Mittel, die jahrelang für die Teststrecke aufgewendet worden seien. Und die Strecke in Schleswig-Holstein sei nicht die einzige in Deutschland. Ein ähnlicher Test in Hessen gehe noch bis Mitte 2025 weiter. Erst 2022 habe der Bund hier noch einmal 22 Millionen Euro investiert.

In Schwerin ist man stolz auf seine Landesbeteiligungen. „Sie erfüllen als öffentliche Unternehmen wichtige Aufgaben der Daseinsvorsorge und leisten einen bedeutenden Beitrag zur Wirtschafts-, Struktur- und Standortpolitik des Landes Mecklenburg-Vorpommern“, heißt es im Beteiligungsbericht der Landesregierung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Beim Steuerzahlerbund fragt man sich, zu welchem der genannten Punkte das Landgestüt Redefin passt. Jährlich würden Millionen an Zuschüssen in das landeseigene Unternehmen fließen. Allein für die Jahre 2020 bis 2025 seien in den jeweiligen Haushaltsplänen 16,5 Millionen Euro aus Steuermitteln veranschlagt. Dies stößt den Vertretern des Steuerzahlerbunds bitter auf: „Es erschließt sich nicht, weshalb es notwendig sein soll, Pferde – als Luxusgut – und Reiten – als Luxussport – mit Steuergeld dauerhaft und in großem Stil zu fördern.“

Dort wird darauf verwiesen, dass das Landwirtschaftsministerium an einem neuen Konzept für das Landgestüt arbeite. Es habe bis Redaktionsschluss des Schwarzbuchs aber nicht vorgelegen. Fazit: „Das Landgestüt Redefin ist verzichtbarer Luxus auf Kosten der Steuerzahler – gerade, weil der Landeshaushalt stark belastet ist.“ Landeseigene Betriebe sollten ausschließlich der Daseinsvorsorge dienen und Leistungen erbringen, die durch Private nicht angeboten würden.

Auf der Bundesstraße 180 zwischen Roßbach und Naumburg in Sachsen-Anhalt durften Autofahrer in einer S-Kurve nur 50 Kilometer pro Stunde fahren. In diesem Jahr wurde die erst vor sieben Jahren sanierte Strecke nachgebessert, die S-Kurve verändert. „Für die Steuerzahler stellt sich allerdings die Frage, ob diese Nachbesserung nötig war, denn offensichtlich konnte der rund 100 Meter lange Straßenabschnitt nach der Sanierung 2017 ohne Probleme befahren werden“, heißt es im Schwarzbuch. Die Straßenbaubehörde habe auf Nachfrage dennoch von einem „Sicherheitsrisiko“ und einem „Verkehrshindernis“ gesprochen. Für den Steuerzahlerbund ist nicht nachvollziehbar, warum eine intakte Straße wieder aufgerissen und neu ausgebaut werden musste. Der Verkehr sei geflossen. Hinzu komme: Von einer wirklichen Begradigung könne überhaupt keine Rede sein, auch jetzt sei es noch eine S-Kurve. Kosten für den Steuerzahler: 500.000 Euro. Davon kamen 400.000 Euro vom Bund. 100.000 Euro steuerte das Land für Planung und Bauüberwachung bei.

BANSBACH kommentiert

Wenn Verbraucherzentralen oder die Stiftung Warentest Autoreifen testen und Produkte für schlecht befinden, dann kann der Verbraucher entscheiden, dass er sein Geld lieber in qualitative Ware steckt. So manche Firma hat ihre Produkte aufgrund mieser Bewertungen beim Warentest nachjustiert. Der Verbraucher hat also mit seiner Entscheidungsgewalt eine gewisse Macht, Dinge am Markt zu verändern.

Anders liegt der Fall bei der Verschwendung von Steuergeldern. Die von der WELT genannten Beispiele zeigen exemplarisch, dass der Bürger wenig bis gar keinen Einfluss auf die Steuermittelverwendung hat. Er kann eben nicht – um den Weltbericht zu zitieren – bestimmen, dass die Bahn-Tochter InfraGo künftig auf gar keinen Fall nochmal 1,7 Millionen Euro für Partys ausgibt. Schlimmer noch: Der Blick in die 52-jährige Vergangenheit des vom Bund herausgegebene Schwarzbuches zeigt, dass tausende Fallveröffentlichungen die Verschwender offenbar wenig tangieren. Ein Beispiel dafür ist die Sanierung der Kölner Oper, deren Kosten von ursprünglich 253 Millionen Euro auf nunmehr 704 Millionen Euro angestiegen sind. Trotz der Kritik seitens des Steuerzahlerbundes und der hohen Kosten wurde das Projekt fortgesetzt.

Da muss der Staat sich nicht wundern, dass nicht wenige Bürger ihn als Verschwender von Steuergeld verunglimpfen. Sie fühlen sich in Zeiten von steigenden Lebenshaltungskosten und den jüngst wegbrechenden Arbeitsplätzen in der Industrie ungerecht behandelt. Und mit Blick auf die Wirtschaft muss die Frage erlaubt sein, wie viele Insolvenzen mit den Millionenbeträgen an Steuerverschwendung hätten abgewendet werden können.

Dass Bürger so wenig Einfluss auf die Verwendung von Steuergeldern nehmen können, heißt nicht, dass sie es nicht versuchen. Berichte über Steuerverschwendung sind oft Anlass für öffentliche Diskussionen und Forderungen nach mehr Transparenz und Verantwortung in der Steuermittelverwendung. Diese Diskussionen führen manchmal zu Vorschlägen für Gesetzesänderungen, die darauf abzielen, die Steuergeldverschwendung spezifisch zu adressieren. Solche Vorgänge reflektieren die allgemeine Unzufriedenheit über die Handhabung öffentlicher Mittel. Der Bund der Steuerzahler bleibt bei diesen Diskussionen neutral und ist nicht von politischen Manövern beeinflusst.

Was bedeuten diese Beobachtungen praktisch? Es könnte sein, dass sich durch das Hintertürchen der Neuwahlen Effekte aus dem Schwarzbuch Steuerverschwendung ergeben: Bürgerlicher Frust wird verstärkt und entlädt sich an der Wahlurne. Das heißt: Der Staat stellt sich selbst ein Bein.

Das sollte der Staat erkennen. Über Demokratie sprechen und gleichzeitig Steuergelder verheizen, signalisiert dem Bürger: Beim Geld hört nicht nur die Freundschaft, sondern auch die Demokratie auf. Und das kann nicht Ziel von Bund, Ländern und Kommunen sein.

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