Standort Deutschland ist für Gründer ein Nachteil

Mit einem Kommentar von

Andreas Kunz

BANSBACH Startup-Desk

Es ist eine umarmende Wertschätzung, ja fast schon Überhöhung, die einer spezifischen Berufsgruppe im neuen Koalitionsvertrag zuteil wird: den Jungunternehmern in Deutschland. Start-ups seien „die Hidden Champions und Dax-Konzerne von morgen“, heißt es dort. Union und SPD beteuern, zügig eine „Gründerschutzzone“ einzurichten; außerdem soll ein „One-Stop-Shop“ sämtliche Behördengänge auf einer Plattform digital bündeln und eine Unternehmensgründung in 24 Stunden ermöglichen.

Während der Vertrag an anderen Stellen schwammig bleibt und lediglich Absichtsbekundungen enthält, wird es bei den Start-ups ziemlich konkret. So bauen CDU/CSU und SPD nicht nur ein eigenes Digitalministerium auf, sondern stellen mehr und höhere Förderungsgelder in Aussicht. Der sogenannte Zukunftsfonds soll über das Jahr 2030 hinaus verstetigt werden. Darüber hinaus wird der „Zukunftsfonds II“ aufgesetzt. Profitieren sollen Unternehmen „mit starkem Fokus auf Ausgründungen und Wachstum im Deep-Tech-Bereich und Biotech“.

Auch bei der künstlichen Intelligenz setzt der Vertrag Akzente, wobei die Bald-Koalitionäre Start-ups hierbei in einer besonders herausgehobenen Rolle sehen. Nicht weniger als eine „KI-Nation“ soll Deutschland in den Augen der neuen Bundesregierung in den kommenden Jahren werden. Wenig verwunderlich: Die Szene begrüßt den Vertrag. Der enthalte „zahlreiche Elemente, die das Potenzial haben, den Standort Deutschland für Start-ups attraktiver zu machen“, sagt Joshua Allen, Teamleiter Politik beim Start-up-Verband Deutschland. „Viele Forderungen unserer Start-up-Community wurden aufgenommen – insbesondere bei der Wachstumsfinanzierung, beim Bürokratieabbau und in der Innovationspolitik.“

Ein „echtes Highlight“ sei zudem der geplante Deutschlandfonds mit einem Zielvolumen von 100 Milliarden Euro zur Wachstumsfinanzierung. „Kombiniert mit der geplanten Verstetigung des Zukunftsfonds und der Aufstockung der WIN-Initiative auf über 25 Milliarden Euro, könnten endlich jene Kapitalspritzen erfolgen, die es braucht, um globale Champions in Deutschland zu halten“, sagt Allen. Damit spricht der Verbandsvertreter ein empfindliches Thema an. Zwar werden hierzulande nach wie vor viele Start-ups gegründet. Etwas mehr als 150.000 waren es im Jahr 2023.

Etliche Jungunternehmen – darunter vielversprechende und aufstrebende Firmen – zieht es aber vermehrt ins Ausland oder sie werden von überwiegend amerikanischen Bietern aufgekauft. Die Abwanderung von Know-how und Kapital ist längst kein Einzelfall mehr, sondern wird zunehmend zum volkswirtschaftlichen Problem. Eine neue Studie zeigt nun, dass das mitunter Gründe hat, die ganz konkret mit den hiesigen Rahmenbedingungen zusammenhängen. Denn bisher ist der Standort D eher ein Nachteil für Jungunternehmen. In einer Befragung, die WELT vorab vorliegt, haben das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Rahmenbedingungen für Start-ups und die daraus resultierenden Geschäftsentscheidungen analysiert. Für das 2008 ins Leben gerufene „Gründungspanel“ der Institute werden jährlich insgesamt rund 5000 Gründer befragt.

„Junge Unternehmen in Deutschland leiden erheblich unter der Bürokratie“, heißt es in der neuesten Veröffentlichung. Demnach hindern überbordende Dokumentationspflichten viele neue Unternehmen an Wachstum und Innovation. Insbesondere Firmen, die sich auf Forschung und Entwicklung konzentrieren, berichten verstärkt von negativen Auswirkungen bürokratischer Belastungen.

Das kostet Zeit, die sinnvoller für Innovationen genutzt werden könnte, sagt ZEW-Ökonomin Sandra Gottschalk. Im Durchschnitt etwa neun Stunden pro Woche mit administrativen Aufgaben verbringen Jungunternehmer der Studie zufolge; 45 der befragten Unternehmen gaben zudem an, dass sie die Preise für ihre Produkte erhöhen mussten. „Das hat fatale Folgen für das Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Start-ups“, sagt die Co-Studienautorin. Auch auf die Personalpolitik haben die Rahmenbedingungen erhebliche Auswirkungen. „Die größten Schwierigkeiten erleben insbesondere Unternehmen auf Wachstumskurs“, sagt Gottschalk. „Oftmals müssen sie aufgrund bürokratischer Hürden auf Neueinstellungen verzichten – ein Umstand, der ihren Fachkräftemangel weiter verschärft.“

Laut den Daten hat etwas mehr als ein Fünftel der Unternehmen aufgrund der Bürokratie auf Neueinstellungen verzichtet – wiederum ein Fünftel gab an, stattdessen eigens für die Bewältigung der administrativen Aufgaben Personal eingestellt zu haben. Insgesamt hat die Zahl der Beschäftigten in neu gegründeten Unternehmen 2023 im Vergleich zum Vorjahr mit 13 Prozent deutlich abgenommen. Nach einem langsamen, aber steten Zuwachs in den Jahren davor, liegt der Wert mit rund 368.000 Vollzeitäquivalenten nun wieder auf dem Niveau von 2016.

Ob die nun geplanten Vorhaben von Union und SPD die Kehrtwende bringen werden? Unklar, sagt Joshua Allen vom Start-up-Verband. „Es bleibt offen, ob und wie schnell es gelingt, die Vielzahl der angekündigten Maßnahmen auch wirkungsvoll umzusetzen.“ Zwar setze der Koalitionsvertrag beim Bürokratieabbau starke Signale. „Startup-in-a-Day, ein One-Stop-Shop für Gründungen und die digitale Beurkundung sind mehr als symbolische Gesten – sie sind längst überfällig.“ Entscheidend werde sein, wie klar Zuständigkeiten geregelt und Maßnahmen tatsächlich priorisiert werden. „Sonst helfen die besten Ankündigungen unseren Start-ups am Ende des Tages wenig.“

BANSBACH kommentiert

Warum wandern Start-ups wirklich aus Deutschland ab? Die sehr starke Bürokratie ist nicht nur für Wachstumsunternehmen, sondern für viele Firmen in Deutschland ein Problem. Es ist nicht den Start-ups eigen. In einer Umfrage des Münchner ifo-Instituts nannten 70 Prozent der befragten Ökonomen die Bürokratie als überwiegendes Hindernis bei in- und ausländischen Investitionen in die Bundesrepublik.

Dieser Faktor sorgt auch dafür, dass viele Unternehmen hier das Handtuch werfen und es sie ins weniger bürokratiebelastete Um- und Ausland zieht. Dabei hat die Bundesregierung doch im September 2024 das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) veröffentlicht, das Bürgern und Unternehmen gleichermaßen Erleichterungen bringen soll. Würden die Start-ups sich nur etwas gedulden, könnten sie erfahren, in welchem Tempo deutsche Verwaltungsmühlen wirklich mahlen.

Zwar werden in Deutschland jährlich mehr KI- und Deep-Tech-Start-ups gegründet – doch ein Drittel davon denkt laut einer Bitkom-Umfrage darüber nach, Deutschland zu verlassen. Der Grund: zu wenig Wagniskapital in Deutschland. Der Mangel daran kann, zieht man die zuvor erwähnte info-Umfrage in Betracht, auch auf die Bürokratie zurückgeführt werden.

Während im ersten Halbjahr 2023 in den USA fast 31 Milliarden Dollar in KI investiert wurden, waren es in der EU nicht einmal 4 Milliarden. Es herrscht also eine mangelhafte Risikobereitschaft deutscher (beziehungsweise europäischer) Investoren. Doch um Wachsen und überhaupt überleben zu können, benötigen Start-ups Geld. Immerhin vergehen zwei bis fünf Jahre, bis das durchschnittliche Start-up profitabel wird.

Ist Deutschland also als Start-up-Standort verloren? Natürlich nicht. Nachteilig gegenüber anderen Regionen ist er dennoch – damit schließt sich der Kreis zum Titel des Beitrags. Dass es in Deutschland ein Problem mit Bürokratie gibt, ist allgemein bekannt. Jährlich gibt es mehr Gesetze, Einzelnormen und Vorschriften. Dennoch werden weiter viele Start-ups hier gegründet. Auch ohne das Start-up-in-a-day-Projekt. Ebendas muss auch etwas bedeuten.

Wir schauen positiv auf die Entwicklung der Start-up-Szene in Deutschland. In gute, kreative, richtungsweisende und tragende Ideen in und aus der Bundesrepublik wird immer wieder schwer investiert. Und genau darum geht es bei Start-ups: um Geschäftsmodelle, die etwas verändern können.

Mit einer neuen Regierung gehen immer neue Hoffnungen einher – ebenso wie Versprechungen. Schafft es die gewählte Koalition wirklich, einen Nährboden für Wachstumsunternehmen zu schaffen, wie angepriesen, könnten Start-ups zukünftig aus der fruchtbaren Erde sprießen.

Gründen Sie gerade ein Start-up oder haben Sie bereits gegründet und suchen einen starken Partner, der Ihr Unternehmen sicher durch alle Verwaltungsebenen führt? Melden Sie sich bei uns – BANSBACH ist immer für Sie da.

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