Wie Nvidia den neuen Milliarden-Markt für autonomes Fahren erobern will – und welche Chips bald in den Autos sein könnten

Mit einem Kommentar von

Philipp Kirchner

Rechtsanwalt

Der Fokus der Auto-Industrie liegt auf Elektromobilität. Nvidia ist jedoch überzeugt, dass jeder Hersteller in Zukunft autonome Fahrzeuge anbieten muss.

Nvidia-CEO Jensen Huang nutzte die Tech-Messe CES 2025 als Gelegenheit, um Technologie für autonome Fahrzeuge vorzustellen. Nvidias Orin-Chips werden im Rahmen einer neuen Partnerschaft die Fahrerassistenzfunktionen von Toyota unterstützen. Der Chipdesigner bietet einen Booster für eine schwächelnde Branche.

Nvidia-CEO Jensen Huang sagt, dass echte selbstfahrende Autos drei fortschrittliche Computer benötigen.

Es gibt einen Computer, der den Modellen beibringt, die Welt zu verstehen. Einen Computer, der Simulationen durchführt, mit denen die Modelle wichtige, aber unwahrscheinliche Szenarien üben können. Und zu guter Letzt: einen Computer im Auto selbst.

Nvidia hat sich strategisch in alle drei wichtige Schritte eingebettet, die jedes Auto zu einem selbstfahrenden Auto machen könnten.

Während Branchenführer wie Waymo und Tesla Robotaxi-Flotten starten und es Fahrern ermöglichen, auf X zu scrollen, während sie von ihren Autos zur Arbeit gefahren werden, geht Nvidia den Markt als Enabler im Hintergrund an – nicht als Verbrauchermarke.

Der Chiphersteller baut auf einer Reihe von Funktionen fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme auf, die euer Auto womöglich bereits hat. Dazu gehören beispielsweise die automatische Spurhaltung und den adaptiven Tempomat.

Mit seiner langen Liste wichtiger Kunden aus der Automobilindustrie, darunter Toyota, Uber und Hyundai, positioniert sich Nvidia als Lieferant von selbstfahrenden Technologien für die Automobilindustrie. Für CEO Huang verfolgen all diese Akteure das gleiche Ziel.

„Jedes einzelne Autounternehmen wird autonom sein müssen. Oder man wird kein Autounternehmen mehr sein“, sagte Huang bei einem Kamingespräch für Finanzanalysten auf der diesjährigen Consumer Electronic Show (CES).

Huang stellte die Technologie für autonome Fahrzeuge in den Mittelpunkt seiner CES-Keynote. Er verkündete selbstbewusst, dass selbstfahrende Autos nicht mehr kommen, sondern bereits da sind. „Der Erfolg von Waymo und Tesla zeigt, dass autonome Fahrzeuge endlich da sind“, sagte Huang auf der Bühne.

Selbstfahrende Autos stoppen und starten

Trotz der jüngsten Vorherrschaft der fahrerlosen Waymo-Fahrten ist die selbstfahrende Technologie in der gesamten Autoindustrie in der Schwebe. Viele Autohersteller müssen sparen, weshalb sich ihre Investitionen auf kurzfristigere Technologien wie Elektrofahrzeuge konzentrieren.

Viele traditionelle Automobilhersteller überdenken die kostspielige Entwicklung autonomer Technologien. Jahrzehntelang waren sie nur Stückwerk und haben keinen klaren Weg zur Rentabilität gefunden. Damit machen die Autobauer die Bühne frei für technologieorientierte Unternehmen.

Wer den Krieg der Chips in den Armaturenbrettern der meisten Autos gewinnen wird, ist nach wie vor eine offene Frage. Aber nach der CES sind die Analysten viel näher dran, zu wissen, wer das Rennen entscheidet.

Heutige Autos sind vollgestopft mit Chips. Die meisten von ihnen sind weit weniger kompliziert als die Chips, die benötigt werden, um Fahraufgaben an den Computer zu übertragen. Zu den Konkurrenten von Nvidia gehören andere Chip-Giganten, wie Qualcomm und das israelische Unternehmen Mobileye, das Mikrochips und andere Technologien für die Automobilindustrie entwickelt.

Nvidia ist auf dem Vormarsch, was Chips für autonom fahrende Autos angeht

Im Zuge der Konvergenz von KI und der zunehmenden Verbreitung selbstfahrender Technologien scheint Nvidia nun die Führung zu übernehmen, so Martin French, Managing Director bei der Automobilberatungsfirma Berylls.

Toyota, der größte Automobilhersteller der Welt, wird Nvidias Orin-Chips und Automobil-Betriebssystem einsetzen, um seine nächste Generation von Fahrerassistenzfunktionen zu betreiben, kündigte Huang an.

Orin ist die Lösung von Nvidia, um die Rechenleistung und Intelligenz der KI in ein Auto zu bringen. Das System wurde 2019 erstmals vorgestellt und hat sich im Laufe der Zeit zu einer umfassenderen Lösung entwickelt.

Mercedez Benz, BYD aus China und viele andere Hersteller von Luxusfahrzeugen haben Orin ebenfalls übernommen.

Die meisten dieser Fahrzeuge sind noch nicht vollständig selbstfahrend. Aber der lange Weg vom Tempomat bis zur Verwirklichung des Traums, auf dem Rücksitz zu schlafen, während das Auto von selbst fährt, wird noch viele Zwischenstationen beinhalten.

Toyota für sich zu gewinnen, ist eine große Sache. McKinsey schätzt, dass der Markt für assistiertes und autonomes Fahren bis 2035 einen Wert von 400 Milliarden US-Dollar (etwa 385 Milliarden Euro) haben könnte. Nvidia prognostiziert einen Umsatz von fünf Milliarden US-Dollar (etwa 4,8 Milliarden Euro) für sein Automobilgeschäft im Geschäftsjahr 2025. Das entspricht einer Verfünffachung des Automobilgeschäfts des Unternehmens gegenüber 2023.

Nvidia schließt sich außerdem mit dem Lkw-Startup Aurora Innovation und dem Automobilzulieferer Continental zusammen. Sie wollen selbstfahrende Lkw einsetzen. Diese Ankündigung ließ den Aktienkurs von Aurora letzte Woche um 35 Prozent in die Höhe schnellen.

Jenseits des Rechenzentrums

Die selbstfahrende Technologie von Tesla, die Huang häufig lobt, wird auf Nvidia-GPUs trainiert. Die Chips, die Teslas vollständig selbstfahrendes Auto zum Laufen bringen, werden jedoch intern entwickelt und von Samsung hergestellt.

Bereits 2019 haben Tesla und Nvidia ein gemeinsames Verständnis für die Bedeutung von beschleunigtem Computing. Aber sie waren On-Off-Partner. Heute ist die Partnerschaft sehr lebendig, und Huang und Musk loben sich regelmäßig gegenseitig.

Die Festigung der Beziehungen zu Toyota, Tesla und Aurora versetzt Nvidia in eine gute Position, um der Hauptlieferant für selbstfahrende Technologien in der Automobilindustrie zu werden.

Nur wenige Unternehmen können Chips für Autos und auch die Chips zum Trainieren der KI liefern, die für selbstfahrende Autos benötigt wird.

Trotz einer zweistündigen CES-Präsentation, die von humanoiden Robotern bis hin zu KI-Laptops reichte, bezeichneten die Analysten von Philips Capital Nvidias Automotive-Angebot als die „bedeutendste“ Enthüllung auf dem Tentpole-Event. Mit einem durchschnittlichen Anteil von weniger als zwei Prozent am Gesamtumsatz in den ersten drei Quartalen 2024 ist Nvidias Automobilgeschäft im Vergleich zu seinem Rechenzentrumsgeschäft immer noch winzig.

Auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens im Februar 2024 sagte CFO Colette Kress, dass eine Milliarde US-Dollar (etwa 960 Millionen Euro) des Umsatzes mit Rechenzentren, der getrennt vom Geschäft mit Chips für die Automobilindustrie ausgewiesen wird, auf Kunden aus der Automobilindustrie entfällt.

„Sie positionieren sich absolut als Marktführer für autonome Technologien“, sagte French.

Ein Booster für autonomes Fahren

In den vergangenen Jahren haben große Autokonzerne ihre teuren Projekte für selbstfahrende Autos aufgegeben und sich auf Elektrofahrzeuge konzentriert.

Ford und Volkswagen zogen 2022 die Finanzierung für das inzwischen gescheiterte selbstfahrende Startup-Unternehmen ArgoAI zurück. General Motors gab Ende 2024 bekannt, dass es die Robotaxi-Entwicklung seiner Cruise-Sparte einstellen würde.

„In den vergangenen Jahren gab es eine Menge schlechter Nachrichten über selbstfahrende Technologien – sie waren ziemlich negativ“, sagte French. „Nvidia hat das Blatt gewendet und dem autonomen Fahren einen absoluten Schub gegeben.“

Die Investoren wurden ungeduldig, weil die Gewinne der Autohersteller sanken. Es fehlte ihnen zudem das Vertrauen in die Fähigkeit der etablierten Autohersteller, Software zu entwickeln, so French. Um die Investoren wieder für selbstfahrende Technologien zu begeistern, mussten sie es von einem Technologieunternehmen hören.

Huang schafft gerne neue Milliarden-Märkte

„Wenn Jensen – einer der führenden Köpfe in der Tech-Branche – auf die Bühne geht und sagt, dass das autonome Fahren da ist und die Robotik vor der Tür steht, dann hat das für die Investoren großes Gewicht“, so French.

Huang ist bekannt dafür, dass er gerne Märkte schafft – er sagt häufig, dass er nach „Null-Milliarden-Dollar-Märkten“ sucht, die er gleichzeitig schaffen und erobern kann. Der Markt für autonome Autos könnte noch von einem Unternehmen erobert werden, so French.

In einem komplexen regulatorischen Umfeld strebt die Automobilindustrie oft nach einer einheitlichen Norm für neue Technologien. Dies führt in der Regel zu einem harten Wettbewerb, da die Unternehmen um die Entwicklung der besten Technologie konkurrieren.

Nehmen wir zum Beispiel das Laden von Elektrofahrzeugen.

Jahrelang konnte sich die Branche nicht auf einen einzigen Ladegerätetyp einigen, was dazu führte, dass die Stecker und Anschlüsse für E-Fahrer, die auf der Suche nach Strom waren, nicht zusammenpassten. Doch im Jahr 2023 einigte sich die Branche schließlich auf den von Tesla verwendeten North American Charging Standard für Ladegeräte.

Da KI die technologische Lücke zwischen selbstfahrenden Autos und der Robotik geschlossen hat, wird die gesamte Autoindustrie bald herausfinden, wie es ist, Teil von Nvidias nächstem Null-Milliarden-Dollar-Markt zu sein.

BANSBACH kommentiert

Der Beitrag über den KI- und Computerchip-Hersteller Nvidia stammt vom 20.01.2025. An diesem Tag galt das Unternehmen noch als wertvollstes börsennotiertes Unternehmen der Welt. Doch schon eine Woche später, am 27. Januar, fuhr Nvidia den größten Kurseinbruch in der Geschichte der Wallstreet ein. Der Börsenwert fiel um 592,7 Milliarden US-Dollar. Grund war, dass der chinesische Mitbewerber DeepSeek im Januar 2025 eine KI für autonomes Fahren präsentierte, die von Analysten und Investoren besser bewertet wurde als die KI-Produkte von Nvidia. Das Modell des chinesischen Konkurrenten sei billiger und doch genauso effizient.

Für Nvidia gab es zuvor bereits einen signifikanten Kurseinbruch um acht Prozent. Das war im März 2018. Damals war eine Fußgängerin in den USA tödlich mit einem autonom fahrenden Uber-Robotaxis zusammengestoßen. Das Auto war mit Chips von Nvidia betrieben worden. Der Konzern stellte daraufhin seine Probefahrten auf öffentlichen Straßen ein. Diese Entscheidung bewog Aktionäre wiederum dazu, ihre Investitionen aus Nvidia zurückzuziehen.

Obwohl es im weltweiten Straßenverkehr nicht bei diesem Unfall blieb, ist es um die tödliche Gefahr, die von autonomen Fahrzeugen im Straßenverkehr ausgehen kann, relativ ruhig geworden. Im Gegenteil, wenn Nvidia-CEO Jensen Huang nun sagt „Jedes einzelne Autounternehmen wird autonom sein müssen. Oder man wird kein Autounternehmen mehr sein“, zeugt das von einem ungebrochenen Selbstbewusstsein.

In Deutschland dürfte Jensen Huang – zumindest was die Politik angeht – auf offene Ohren treffen. Am 4. Dezember 2024 verkündete das Bundesministerium für Digitales und Verkehr seinen Strategiebeschluss zum autonomen Fahren. Als weltweit erstes Land habe die Bundesrepublik einen umfassenden Rechtsrahmen für autonomes Fahren geschaffen, so der Bundesverkehrsminister. Perspektivisch will man in Berlin das autonome Fahren überall in Deutschland im Regelbetrieb ermöglichen. Einen besonderen Schwerpunkt lege man auf den öffentlichen Personennahverkehr sowie den Güterverkehr.

Autonomes Fahren erscheint der Politik so wichtig, dass sie laut Strategiepapier des Ministeriums für Digitales und Verkehr sogar das Straßenverkehrsrecht künftig anpassen will, um verhaltensrechtliche Aspekte mit Fahrerbezug zu definieren und zu regeln. Ob und wie eine neue Regierung diesen Aspekt künftig behandeln wird, bleibt vorerst offen.

Fakt ist jedoch jetzt schon: Gesetzgeber, Investoren und Entwickler sind sich weitgehend einig, dass die Zukunft des Verkehrs dem autonomen Fahren gehört.

Außer Frage steht, dass autonomes Fahren in der Wirtschaft schon angekommen ist; zum Beispiel wird es in der Landwirtschaft und im Bergbau seit den frühen 2000er Jahren eingesetzt. Autonome Traktoren, wie sie von Branchenführern wie Deere & Co. und dem Startup Agtonomy entwickelt werden, helfen Landwirten. Diese Maschinen sind nicht nur in der Lage, rund um die Uhr zu arbeiten, sondern mildern zudem den Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften.

Auch im Bergbau ist die Zukunft selbstfahrender Maschinen bereits eingetreten: Unternehmen wie Rio Tinto und Fortescue Metals setzen autonome Lkw in ihren Minen ein. Diese Fahrzeuge sind mit fortschrittlichen Sensoren und KI-Systemen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, ohne menschliches Eingreifen zu fahren. Zum besseren Verständnis: Autonome Fahrzeuge generieren täglich viele Terabyte an Daten aus Sensoren wie Kameras und Radar. Diese Daten werden für das Training von KI-Modellen verwendet, die in den Fahrzeugen verbaut sind. Letztlich steuert die KI und nicht der Mensch im Idealfall den Wagen.

Diese Beispiele zeigen, dass es in der Arbeitswelt stellenweise schon gelungen ist, Unternehmen vom autonomen Fahren zu überzeugen. Doch was ist mit den Endverbrauchern? Abseits von Börsenkursen, Milliardenmärkten und Ähnlichem müssen die Entwickler von Fahrerassistenzsystemen dem normalen Bürger die Frage beantworten, wie sie seinen persönlichen Sicherheitsbedenken (Unfälle, schlechte Wetterbedingungen, Komplexität des Straßenverkehrs) sowie Datenschutz- und Privatsphäre-Bedürfnissen nachkommen wollen. Menschen sind sich im Straßenverkehr sehr wohl ihrer Verletzlichkeit bewusst. Sie geben nur ungern die Kontrolle ab, denn ihr Vertrauen in die eigene Fahrfähigkeit ist oft höher als das Vertrauen in die Technologie.

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