In der Immobilienwirtschaft sieht man das Gesetz kritisch. Nicht nur einzelne private Vermieter könnten durch Mietkürzungen ihrerseits in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, sondern auch größere institutionelle Anleger, wie Fonds oder Pensionskassen, die in den vergangenen Jahren ihre Immobilienportfolios ausgebaut haben. Der Branchenverband ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) warnt deshalb immer wieder vor einer Zahlungsausfallskette, bei der am Ende sogar Bankkredite notleidend geraten könnten.
Zudem würden sich die Vertragsparteien ohnehin meistens einig. 50 Prozent der ZIA-Mitgliedsunternehmen hätten sich mit ihren Mietern auf Stundungen oder Minderungen geeinigt, in weiteren 40 Prozent sei keine Einigung nötig, weil es sich um Lebensmittelhändler, Baumärkte oder Apotheken handele. „Was jetzt geplant ist, galt auch in Ministerien bis vor Kurzem als ein Eingriff in die Vertragsfreiheit eines Bürgerlichen Gesetzbuches, das über Jahrhunderte pandemieerfahren und bereits ausgleichend ist“, so ZIA-Präsident Andreas Mattner zu WELT.
„Eine Änderung des Paragrafen 313 ist eher ein Sand-in-die-Augen-Streuen oder Sich-aus-der-Verantwortung-Stehlen.“
Der Einzelhandelsverband HDE zweifele die ZIA-Darstellungen zu Vertragseinigungen an. In der Vorlage für das neue Gesetz heißt es zudem, es werde „häufiger berichtet, dass insbesondere Immobilienfonds entsprechenden Nachverhandlungen ablehnend gegenüberstünden.“
Auch Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sieht wenig Bereitschaft der Vermieter, auf Mieter zuzugehen: „Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Vermieter sich gerade nicht auf Gespräche mit ihren Gewerbemietern eingelassen haben und es nicht zur Reduzierung der Miete kam“, so Fechner gegenüber WELT. „Die Zahlen des ZIA entsprechen nicht den Befragungen der Verbände. Der HDE hat die Rückmeldung seiner Mitglieder, dass zwei Drittel keine Einigung mit ihren Vermietern erzielen konnten.“ Der Hotel- und Gaststättenverband habe berichtet, dass sogar nur bei 20 Prozent der Verträge die Miete gesenkt worden sei, 40 Prozent der Vermieter hätten gestundet, weitere 40 Prozent „überhaupt kein Entgegenkommen gezeigt“. „Durch die jetzt notwendigen Geschäftsschließungen wird die Zahl der Gewerbemieter mit Zahlungsschwierigkeiten deutlich zunehmen“, sagt Fechner. „Es braucht deshalb die Rechtssicherheit, dass Corona eine Störung der Geschäftsgrundlage ist und eine Reduzierung der Miete verlangt werden kann.“
Die Gefahr, dass sich solvente Unternehmen eine Mietminderung zunutze machen, sieht Fechner nicht: „Missbrauch wird dadurch verhindert, dass nur bei erheblichem und Corona-bedingtem Umsatzrückgang den Gewerbemietern ein Anspruch auf Reduzierung der Miete zusteht, deren Betrieb geschlossen wurde. Wer diese Regeln missbraucht und seine Miete kürzt, obwohl er keine Einbußen hat, dem kann gekündigt werden, und er kann sofort verklagt werden, da die Miete weiterhin fällig ist.“