Personalnot im Mittelstand

Mit einem Kommentar von

Arne Tiemann

Wirtschaftsprüfer / Steuerberater

Personalnot im Mittelstand

Das Fehlen von qualifizierten Mitarbeitern bremst kleine und mittlere Unternehmen ausgerechnet da aus, wo es für sie am wichtigsten ist: bei der Digitalisierung.

Er gilt als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, der deutsche Mittelstand. Und dieses Rückgrat wird jetzt schon stark belastet. Zahlreiche Indizien deuten darauf hin, dass die mittelständischen Betriebe stärker unter Pandemie und Lockdown leiden als große Konzerne, die auch und vor allem außerhalb Deutschlands Geschäfte machen. Dabei steht die wahre Belastungsprobe für Deutschlands Mittelstand erst bevor. Denn den Betrieben fällt es hierzulande zunehmend schwer, qualifiziertes Personal zu finden – Personal, das notwendig ist, um zu florieren, zu expandieren und auch im digitalen Zeitalter mithalten zu können.

Die Sorge vor Fachkräftemangel wirkt zunächst paradox, hat die Arbeitslosigkeit in der Corona-Krise doch deutlich zugenommen. Mit 2,9 Millionen waren zuletzt gut 500.000 Menschen mehr auf Jobsuche als im Februar 2020, also vor der Krise. Theoretisch müssten auf dem Arbeitsmarkt also mehr qualifizierte Erwerbspersonen zur Verfügung stehen, um offene Stellen zu besetzen. Aus Arbeitgebersicht müsste die Situation also entspannter sein. Das ist aber nicht der Fall. Eine Studie der Beratungsgesellschaft EY kommt zu einem geradezu schockierenden Ergebnis: Aktuell fällt es 70 Prozent aller mittelständischen Betriebe in Deutschland schwer oder sehr schwer, gut ausgebildete Mitarbeiter für zu besetzende Stellen zu finden. Dieses Ergebnis hat es in sich.

„Aktuell“ heißt nämlich „schon jetzt“.

Denn im Lauf der 2020er-Jahre werden sich die Fachkräfte-Engpässe aus demografischen Gründen unweigerlich verschärfen – und der Mittelstand ist besonders betroffen.

In der neuen Dekade gehen die letzten geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit in Rente. Die nachfolgenden Jahrgänge sind zahlenmäßig deutlich kleiner. Die Differenz zwischen ausscheidenden und nachfolgenden Kohorten beläuft sich bis 2035 auf rund eine halbe Million Personen im Jahr. Doch die Zahl erfasst nicht das ganze Problem: Woran es besonders mangelt, sind Techniker, Ingenieure und naturwissenschaftlich ausgebildete Absolventen. „Ein Drittel aller Mittelständler kann Stellen in der Produktion aus Mangel an geeigneten Bewerbern nicht besetzen“, heißt es im EY-Mittelstandsbarometer, das WELT vorab vorlag. In manchen Branchen schrillen bereits die Alarmglocken. So berichten vier von fünf Mittelständlern (81 Prozent) in der chemisch-pharmazeutischen Industrie und in der Elektrotechnik von Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung.

Die Probleme des Mittelstandes bestätigen auch andere Studien: „Kleine Betriebe haben gegenüber sehr großen und in der Regel überregional bekannten Unternehmen größere Probleme bei der Personalbeschaffung“, sagt Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg. Schon im Jahr 2019 waren dem IAB zufolge bei kleineren und mittleren Unternehmen 45 Prozent aller Stellenbesetzungen mit neuen Mitarbeitern mit Schwierigkeiten verbunden. Das waren damals sieben Prozentpunkte mehr als bei größeren Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten.

Die Daten von EY lassen jetzt darauf schließen, dass sich die Probleme bis heute eher verschärft als entspannt haben. Für das Mittelstandsbarometer hat die Beratungsgesellschaft Anfang des Jahres 1150 Mittelständler in der ganzen Bundesrepublik befragt. Dabei kam zwar heraus, dass die Bereitschaft zu Neueinstellungen in der Corona-Rezession auf den niedrigsten Wert seit 2010 gefallen ist. Zugleich hat aber die Not zugenommen, qualifiziertes Personal für die offenen Stellen zu finden. „Der Fachkräftemangel ist für die Entwicklung der deutschen Mittelständler das größte Problem“, stellt EY-Partner und Mittelstandsexperte Michael Marbler unumwunden fest.

In der Umfrage maßen die Betriebe dem Fachkräftemangel – trotz Rezession – ein größeres geschäftliches Bedrohungspotenzial zu als einer Schwäche der Inlandskonjunktur oder Hackerangriffen. Sagten zuletzt 70 Prozent der Betriebe, dass es ihnen schwer oder sehr schwer falle, neue und ausreichend qualifizierte Mitarbeiter zu finden, so betrug der Wert im Januar 2020 erst 65 Prozent. Das Problem ist trotz einer potenziell größeren Zahl von Bewerbern (durch die höhere Arbeitslosigkeit) also eher größer als kleiner geworden. Bei einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC unter den Vorstandschefs internationaler Konzerne tauchte das Thema Fachkräftemangel zuletzt nur auf Platz vier der Sorgenliste auf, hinter Überregulierung, Hackerangriffen und Pandemien.

Besonders bitter:

Das Fehlen von qualifiziertem Personal bremst die Mittelständler just da, wo sie großen Nachholbedarf haben, bei der Digitalisierung. „Der Fachkräftemangel ist Hemmnis Nummer eins für die digitale Transformation des Mittelstands in Deutschland“, sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Als wichtiger Finanzierer hat die KfW tiefe Einblicke in die Struktur der mittelständischen Wirtschaft. Gebremst werde so vor allem eine Digitalisierung, die tief greifend sei, also wirklich das ganze Unternehmen erfasse, berichtet Köhler-Geib.

„Häufig fehlen in den Betrieben genau jene Mitarbeiter, die zum Beispiel den Mehrwert von digitalen Tools aufzeigen können.“

Digitale Kompetenzen in allen Unternehmensbereichen sind heute nicht nur wegen der Wettbewerbsfähigkeit essenziell, sondern zum Beispiel auch zur Aufrechterhaltung der Betriebssicherheit. „Interessant ist zu sehen, dass die Angst vor Hackerangriffen bei den Mittelständlern auf Platz drei steht“, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Deutschland. Das mache das große Dilemma der neuen Technologien deutlich. „Digitalisierung sollte nicht als Bedrohung gesehen werden, sondern als Chance“, sagt Brzeski. Aktuell plane vor allem die Industrie größere Einstellungen, im Dienstleistungssektor sei es Corona-bedingt nicht ganz so ausgeprägt. Für die mittelständische Wirtschaft melde sich der Fachkräftemangel 2021 als beträchtliches Problem zurück.

Die demografische Struktur Deutschlands führt dazu, dass sich die Betriebe nicht darauf verlassen dürfen, dass genügend junge Fachkräfte ins Berufsleben streben. Wie neue Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, stagniert die Zahl der Schüler bereits seit Jahren. An den Berufsschulen, wo viele Kenntnisse vermittelt werden, die im Mittelstand gesucht werden, ist die Schülerzahl 2020 sogar um zwei Prozent gesunken. Das alles bei einer steigenden Zahl von Beschäftigten, die ins Rentenalter kommen.

Zuwanderung kann Abhilfe schaffen, allerdings hat die Migration zuletzt eher ab- als zugenommen. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts sind vergangenes Jahr nur zwischen 180.000 und 240.000 Personen zugewandert, nach 327.000 im Jahr 2019. Natürlich spielen hier auch Reisebeschränkungen eine Rolle. Doch schon vor Corona zeigte der Trend nach unten. Außerdem bringen nicht alle Zuwanderer die Qualifikationen mit, die die Mittelständler brauchen.

Ökonomen halten es daher für unerlässlich, dass Mittelständler mehr in die Fort- und Weiterbildung ihrer eigenen Mitarbeiter investieren – gerade was Digitalisierung anbelangt. „Bei Fort- und Weiterbildung muss es mehr Initiativen geben“, fordert KfW-Chefvolkswirtin Köhler-Geib: Allein auf den schulischen Unterricht zu setzen, reiche nicht aus. Denn sonst könne es zehn bis 15 Jahre dauern, bis die dort vermittelten digitalen Kenntnisse in den mittelständischen Unternehmen ankommen. „40 Prozent der Beschäftigten machen in den Unternehmen eine betriebliche Fort- und Weiterbildung, aber nur bei sieben Prozent ist es eine individuelle Fort- oder Weiterbildung“, rechnet sie vor. Als ein Problem hat sie die Finanzierung der Programme ausgemacht, aber auch die Personalknappheit spiele eine Rolle: Gerade kleinen Firmen bereitet es oft Mühe, die Mitarbeiter im laufenden Betrieb zu entbehren.

„Aus dem Fachkräftemangel kommt die Gesamtwirtschaft und damit auch der Mittelstand nur heraus, wenn in Bildung investiert wird“, erklärt auch ING-Mann Brzeski. Dabei sollten technische Berufe stärker gefördert werden. Am Ende kämen die Mittelständler aber nicht umhin, mehr in Digitalisierung und Automatisierung zu investieren. Theoretisch könnten mit höheren Löhnen mehr Fachkräfte angezogen werden, doch gerade in den technischen Berufen sei die Kluft zwischen Nachfrage und Angebot einfach zu groß, sagt Brzeski:

„Höhere Löhne allein werden diese Lücke wohl nicht schließen können. Es fehlen einfach die geeigneten Fachkräfte.“

Da man sich die nicht über Nacht „backen“ könne, gebe es kaum eine Alternative zu Investitionen in digitale Technologie.

BANSBACH kommentiert

Der Autor trifft einen empfindlichen Nerv. Es ist tatsächlich fach- und branchenübergreifend zu hören, dass qualifizierte Mitarbeiter nur noch schwer zu rekrutieren sind. Allerdings sind manche Arbeitgeber auf der Suche erfolgreicher als andere. Employer Branding heißt das Zauberwort. Darunter versteht man einen ganzheitlichen Prozess, in dem eine Arbeitgebermarke definiert, gestaltet, umgesetzt und aufgebaut wird. Dies erfolgt über interne und externe Kommunikation der Marke in Abgrenzung zur Konkurrenz. Dabei wird regelmäßig die gesamte Bandbreite der Kommunikation genutzt wie z.B. Social-Media-Kanäle, Veranstaltungen, Flyer, Videos oder Stellenanzeigen. Viele Beratungsunternehmen bieten hier bereits kompetente Hilfe an.

Und selbst wenn Sie diese Hürde genommen haben, als Top-Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen werden und den potenziellen Bewerber überzeugen konnten, stehen Sie noch immer vor einer mitunter entscheidenden Herausforderung, der Gehaltsverhandlung.

Denn die Vorstellungen können hier durchaus divergent sein. Sie haben im Vorfeld den maximalen Vergütungsrahmen ermittelt und die Vorstellungen Ihres Aspiranten liegen doch darüber. An dieser Stelle ist es wichtig zu erkennen, dass die Definition der angemessenen Vergütung arbeitgeber- und arbeitnehmerseitig abweichen kann. Betrachtet der Arbeitgeber den finanziellen Gesamtaufwand, so liegt der Fokus des Arbeitnehmers häufig auf dem verfügbaren Nettoeinkommen.

Hier können wir Ihnen gern behilflich zur Seite stehen. Es gibt eine Vielzahl von Lohn- und Gehaltsbestandteilen, die steuerlich begünstigt oder sogar steuerbefreit sind und auch nicht der Sozialversicherung unterliegen. Beginnend z.B. bei der (finanziellen) Unterstützung bei der Wohnungssuche und dem Umzug wie auch bei verbilligter Überlassung von Wohnraum, der Überlassung von Telefon und Computer, einer Fahrtkostenerstattung oder der Überlassung von E-Bike oder Firmenfahrzeug – die Liste möglicher Benefits ist lang. Geschickt eingesetzt nähern sich so die Vorstellungen von Arbeitgeber und Bewerber an und es kommt zum erfolgreichen Abschluss des Arbeitsvertrags.

Sprechen Sie uns an, wir zeigen Ihnen die Möglichkeiten der Optimierung auf.

    Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Formular zur Beantwortung meiner Nachricht erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach abgeschlossener Bearbeitung gelöscht. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.
    Vielen Dank für Ihre Nachricht.Ihre Anfrage ist soeben bei uns eingegangen.
    Wir werden uns in Kürze bei Ihnen melden.
    Zurück zur Übersicht