Teurer Strom

Mit einem Kommentar von

Karsten Karnath

Certified Valuation Analyst

Die hohen Energiepreise in Deutschland bringen Unternehmen Wettbewerbsnachteile. Daran wird wohl auch ein subventionierter Brückenstrompreis nichts ändern. Andere Lösungen müssen dringend her.

Wenn Hans-Günter Trockels über die deutsche Energiepolitik spricht, benutzt er Bezeichnungen wie „unvernünftige Maßnahmen“ und „kurzfristige Entscheidungen“. Der Inhaber und Geschäftsführer der Großbäckerei Kuchenmeister aus Soest kritisiert den subventionierten Brücken- beziehungsweise Industriestrompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh), den das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 5. Mai vorgeschlagen hat: „Wir würden dadurch nicht wettbewerbsfähiger werden.“ Der Strompreis sei in verschiedenen anderen europäischen Ländern geringer. So kostete kurzfristig lieferbarer Strom am Spotmarkt laut Trockels am 1. August etwa in Schweden drei Cent pro kWh. Als in Deutschland produzierendes Familienunternehmen ergäben sich durch dieses Gefälle in den Energiepreisen deutliche Wettbewerbsnachteile.

Der Chef der Großbäckerei hält nicht viel von Subventionen – das lohne sich nicht: „Allein etwa 30 bis 40 Prozent der erzielbaren Summe geht raus für Berater und die Antragsverwaltung und dann sind die zugesagten Subventionen nicht immer sicher.“ Trockels erläutert seine Kritik auch anhand eines anderen Beispiels: „Unsere Gas-Lkw waren bisher von der Maut befreit, nun wurde diese Maut-Befreiung kurzfristig schon zu Ende 2023 aufgehoben.“

Hintergrund: Das BMWK schlägt zwei Schritte vor, um wettbewerbsfähige Strompreise vorzustellen. Über einen langfristigen „Transformationsstrompreis“ soll die Wirtschaft von günstigem Strom aus Erneuerbaren Energien profitieren. Für die Zwischenphase bis 2030 soll es einen „Brückenstrompreis“ von sechs Cent pro kWh für einen „klar definierten Empfängerkreis“ geben, der „aus öffentlichen Mitteln finanziert werden muss“.

Der Brückenstrompreis richtet sich nur an energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, inklusive neuer energieintensiver Transformationsindustrien. Dazu greift das Konzept auf die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) zurück. Dem BMWK zufolge gehe der Kreis der Unternehmen, die dort Zugang haben, zurück auf die in den Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien definierten Branchen. Erfasst seien damit wesentliche Teile der klassischen energieintensiven Industrien in Deutschland, beispielsweise aus dem Bereich Chemie und Stahl, aber auch Branchen wie die Batteriezellfertigung.

Der Teilnehmerkreis umfasste nach BMWK-Angaben in den vergangenen Jahren rund 2000 Industrie-Unternehmen. Der Brückenstrompreis soll als Sparanreiz nur für 80 Prozent des Stromverbrauchs gelten. Er soll gebunden sein an eine Verpflichtung zur Transformation, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, an Tariftreue und eine Standortgarantie.

Wie sehen andere Mittelständler das Konzept? Der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB) lehnt es in der aktuellen Form ab. Ein Brückenstrompreis von sechs Cent pro kWh Strom, wie vorgeschlagen, könnte die aktuellen Kostenspitzen für wenige Großunternehmen zwar gegebenenfalls brechen, international wettbewerbsfähige Strompreise wären dadurch aber trotzdem nicht gegeben.

Viel sinnvoller wäre daher ein nachhaltiges Entlastungskonzept für alle Unternehmen, statt eines Brückenstrompreises nur für die energieintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb stehe und weitere Vorbedingungen erfüllen müsse. Viele KMU befänden sich als Zulieferer dieser Unternehmen indirekt oder aufgrund ihrer Aktivitäten auf ausländischen Märkten ebenfalls im internationalen Wettbewerb, könnten aber von der Entlastung keinen Gebrauch machen, so der DMB.

Laut dem Verband „Die Familienunternehmer“ werde die vorgeschlagene Subventionierung des Industriestrompreises „zu schlimmen Wettbewerbsverzerrungen führen“. Anstatt die staatlichen Abgaben und Steuern auf die Energiepreise zu senken und das Stromangebot auszuweiten, „werden jährlich Milliarden Euro Subventionen an staatlich definierte Nutznießer, vornehmlich aus der Großindustrie, ausgeschüttet“, heißt es in einem Statement.

Jürgen Bischopink, geschäftsführender Gesellschafter des Finnentroper Automobilzulieferers Fischer & Kaufmann, kritisiert den Brückenstrompreis ebenfalls. Mit dem Begriff „energieintensiv“ kann er wenig anfangen: „Ab wie vielen kWh pro Jahr beginnt energieintensiv?“ Er bezeichnet das Konzept als „ein Stück weit ungerecht“. Kleine, weniger energieintensive Unternehmen würden nicht unter den Industriestrompreis fallen und andere den Strom subventioniert bekommen – „das ist keine Marktwirtschaft“.

Bischopink stört sich auch daran, dass der Brückenstrompreis nur für 80 Prozent des Verbrauchs gelten soll, um einen Anreiz zu geben, Strom zu sparen: „Wir arbeiten fünf Tage die Woche jeweils 24 Stunden lang. Wir brauchen also 100 Prozent Energie.“ Man habe ein Energiemanagement System gemäß DIN ISO 50001 installiert und zertifiziert. Er könne Energie sparen, indem er zum Beispiel drei Pressen ausschalte, „aber die haben Millionen Euro gekostet“, oder indem nur 80 Prozent der Zeit gearbeitet werde. Er wolle Energie sparen, „aber in der Industrie kann man nicht mal eben ein Hebelchen umwerfen und dann ist das in Ordnung“.

Für problematisch hält er zudem die Kopplung des Brückenstrompreises mit einer Transformation und Standortgarantie. „Ermöglicht die Technik überhaupt eine Transformation bis 2045?“, fragt Bischopink, und „wäre es Subventionsbetrug, wenn die Technik das wider Erwarten nicht ermöglicht?“ Es sei „in der heutigen Zeit auch schwierig, eine langfristige Standortgarantie abzugeben.“ Das Energie- und Technologiebüro Westfalen – EnTeWe aus Anröchte wiederum betreut etwa 320 Millionen kWh Strom von rund 250 Unternehmen vorwiegend des inhabergeführten Mittelstands. Der Geschäftsführer Thorsten Kleere beanstandet, „der Bezug auf die BesAR beim Brückenstrompreis auf den internationalen Wettbewerb und auf energieintensive Betriebe schließt viele unserer Kunden aus“. Und bei der Großindustrie fragt er sich, „ob ein Preis von sechs Cent pro kWh Strom reicht, um international wettbewerbsfähig zu sein“.

Im Juli kostete Strom am deutschen Spotmarkt laut Kleere im Mittel 7,8 Cent pro kWh, im langfristigen Einkauf für das nächste Jahr 13,5 Cent und für 2025 12,5 Cent pro kWh für das Baseload-Produkt (Stand: 1. August 2023). Ein Baseload bedeutet eine 24-stündige konstante Stromlieferung. Zum Vergleich: In Spanien kostete das Baseload für 2024 zehn Cent und für 2025 7,5 Cent pro kWh. „Üblicherweise sind die Strompreise in Spanien fünf Cent pro kWh günstiger als in Deutschland“, sagt Kleere, was er „vorrangig auf die vorübergehende Änderung des dortigen Strommarktdesigns“ zurückführt. So gelte in Spanien zeitlich befristet eine Deckelung der Gaspreise zur Stromerzeugung.

Was könnten Alternativen zum Brückenstrompreis sein? Kleere fordert eine Reform des Strommarktdesigns. Aktuell werden die Strompreise in der Europäischen Union über das Merit-Order-Prinzip gebildet. Es besagt, dass sich der Stromkreis nach dem teuersten Kraftwerk richten muss, und das sind derzeit Gaskraftwerke. „Nur aufgrund dieses Marktdesigns ist unser Strompreis recht hoch. Die Merit Order ist in der aktuellen Situation nicht zeitgemäß“, sagt Kleere.

Überdies bezeichnet er den Atomausstieg als Fehler: „Man kann nicht sagen, die Versorgungssicherheit im nächsten Winter wird noch mal sehr kritisch, und gleichzeitig werden sechs Prozent der Bruttostromerzeugung in Deutschland abgeschaltet.“ Kleere plädiert dafür, Strom technologieoffen in allen Bereichen zu erzeugen: „Die Stromversorgung aus erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Pfeiler. Solange die Stromerzeugung aus Sonne und Wind durch Dunkelflauten jedoch nicht ausreicht, müssen planbare Erzeugungskapazitäten eingesetzt werden. Dazu gehört alles auf den Prüfstand.“ Sich ganz allein auf eine Wasserstofflösung frühestens ab 2035 festzulegen, hält er für einen großen Fehler.

Der DMB bringt „echte Transformationsanreize“ für alle Unternehmen ins Spiel und fordert ein steuerpolitisches Transformationskonzept mit einer Mischung aus Steuersenkungen, großzügigen Stundungsregeln und den sogenannten Superabschreibungen.

Der Verband Die Familienunternehmer schlägt Stromkaufvereinbarungen vor (Power Purchase Agreements). Hier schließe ein Erzeuger von Erneuerbaren Energien mit einem Abnehmer – zum Beispiel einem mittelständischen Industrieunternehmen – einen Vertrag über eine Stromlieferung. Diese könnten dann, soweit möglich, von Steuern/Abgaben/Umlagen befreit werden. Bei geografischer Nähe könntenkönnte hierbei sogar ein Teil der Netzentgelte entfallen. Das Arbeitspapier des BMWK sieht vor, Power Purchase Agreements für die Industrie zu fördern. Auch für mittelständische Unternehmen wolle man den Zugang zu Power Purchase Agreements -Modellen verbessern, heißt es dort.

Bischopink von Fischer & Kaufmann regt an, die Stromsteuern für alle Unternehmen in Deutschland um einen bestimmten Prozentsatz zu senken: „Man könnte das an eine Effizienzklausel koppeln.“ Trockels von Kuchenmeister fordert, die gleiche Energiepolitik zu betreiben wie andere europäische Länder: „Wir haben aufgrund der deutschen Energiepolitik klare Wettbewerbsnachteile im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Hier muss die Politik schnell neue Lösungen finden.“

BANSBACH kommentiert

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hat in einer Umfrage folgendes ermittelt: 32 Prozent der Investitionen aus Deutschland ins Ausland erfolgen aus Kostengründen. Vor zehn Jahren sind das nur 20 Prozent gewesen. Daran gemessen wird der Brückenstrompreis auch aus der Sorge heraus entstanden sein, dass noch mehr deutsche Unternehmen ins Ausland abwandern und nicht nur, um Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

So betrachtet ist ein pragmatisches und für deutsche Verhältnisse schnelles Eingreifen wie mit dem Brückenstrompreis erstmal nicht verkehrt. Diese Maßnahme bis zum Jahr 2030 laufen zu lassen (vom Zeitpunkt des Verfassens dieses Kommentars an immerhin etwas mehr als 6 Jahre) scheint jedoch wenig weitsichtig. Es wird also eine schnelle Überbrückung geschaffen, die besser genutzt werden sollte, um das Design des deutschen Strommarktes effizienter zu gestalten, speziell unter der Berücksichtigung der Situation in den Partnerländern der Europäischen Union.

Das Wirtschaftsministerium pocht darauf, dass die Strompreise durch den Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2030 deutlich fallen. Durch den Zubau moderner EEG-Kraftwerke erscheint diese Annahme durchaus plausibel. Dafür müsste aber ein entsprechender Zubau bis zum Jahr 2030 gewährleistet sein und keine neuen Belastungen eingepreist werden. Durch die Einführung des Brückenstrompreises soll sichergestellt werden, dass die Abwanderungsrate der Industrieunternehmen bis zu dem Zeitpunkt des Sinkens der erwarteten Stromerzeugungskosten gering bleibt.

Es wird also folglich von den betroffenen Unternehmen ein hohes Vertrauen und Durchhaltevermögen erwartet. Darüber hinaus ist der Kreis der begünstigten Unternehmen gering. Denn nur Unternehmen, die einen Stromkostenanteil von mindestens 14 Prozent an der Bruttowertschöpfung pro Jahr haben, haben Anrecht auf einen Preis von 6 Cent pro Kilowattstunde. Steuern und Abgaben sind zusätzlich zu berücksichtigen. Dazu kommt, dass Firmen, die diese Maßnahme in Anspruch nehmen wollen, sich verpflichten müssen, ihren Standort in Deutschland zu erhalten (sinnvoll) und sollen bis 2045 klimaneutral werden (nicht weniger sinnvoll, es sind hierfür aber bedeutende Auszahlungen für Investitionen zu erwarten).

Was bedeutet das für Unternehmen in diesem Moment? Unternehmer müssen erkennen, dass eigenständiges Handeln eher für finanzielle Sicherheit sorgen wird, als das Warten auf Entlastungspakete. Vor allem mit einem starken Partner an der Seite, der Sie dabei unterstützen kann, Kosten an bestimmten Stellen einzusparen, wenn es an anderen nicht funktioniert.

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