Vorsprung durch Forschung

Mit einem Kommentar von

Theresa Voit

Steuerberaterin

Vorsprung durch Forschung

Ausgerechnet in der Pandemie stocken die amerikanischen Tech-Konzerne ihre Entwicklungsbudgets um viele Milliarden auf. Sie verschaffen sich damit Vorteile, die Dax-Unternehmen alt aussehen lassen.

Als die Forscher von Google im Herbst 2019 ein Papier zum Thema Quantencomputer im Fachblatt „Nature“ veröffentlichten, sorgten sie für eine Sensation: Die Angestellten des Forschungsarms „Research“ hatten als erste weltweit einen funktionierenden Quantencomputer gebaut, der ein mathematisches Problem einige 10.000 Male schneller lösen konnte als ein herkömmlicher Supercomputer. „Quantum supremacy“, der Beweis dafür, dass Quantencomputer funktionieren, war erbracht – durch einen Konzern, nicht durch Forscher eines Universitätsinstitutes oder einer staatlichen Forschungseinrichtung.

Nicht nur Google, auch Microsoft, Facebook und IBM investieren aktuell Milliarden Dollar pro Jahr in die Grundlagenforschung rund um den Quantencomputer – und dominieren das Forschungsfeld mit ihren Publikationen. Mehr noch, der Quantencomputer ist nicht das einzige Fachgebiet, in dem die Konzerne entscheidende Fortschritte in der Grundlagenforschung erzielen: Auch in den Bereichen Supercomputer, künstliche Intelligenz, Bio-Informatik, Robotik oder Computerarchitektur dominieren sie. Im Wettbewerb untereinander steigerten die Konzerne in den vergangenen Jahren ihre Forschungsbudgets extrem – und die Milliardeninvestments bringen Resultate.

Welche Summen die US-IT-Riesen investieren, zeigt ein Blick in die aktuellen Bilanzen. Demnach investierte allein Google im vergangenen Jahr gut 27,5 Milliarden Dollar, 15 Milliarden mehr als noch 2015. Microsofts Forschungs- und Entwicklungsausgaben 2020 betrugen gut 19 Milliarden Dollar, knapp doppelt so viel wie vor fünf Jahren. Facebook lag mit knapp 19 Milliarden Dollar nur wenig hinter Microsoft, der Konzern vervierfachte damit seine Forschungsausgaben seit 2015. Apple legt von acht auf 19 Milliarden Dollar zu, jedoch investiert der Konzern weniger in Grundlagenforschung, mehr in Hardwareentwicklung. Amazon schließlich weist in seiner Bilanz gewaltige 42 Milliarden Dollar aus, gegenüber zwölf Milliarden im Jahr 2015 – allerdings erklärt der Konzern in seiner Bilanz, dass in dieser Summe auch Ausgaben für „Inhalte“, also für Musik- und Filmrechte sowie Serien- und Filmproduktionen für die hauseigenen Streamingdienste, eingerechnet sind. Auch Investitionen in die globale Infrastruktur des hauseigenen Clouddienstes AWS sind teils enthalten. Dennoch gehen externe Analysten wie etwa Bloomberg davon aus, dass Amazon etwa 26 Milliarden Dollar pro Jahr direkt in Forschung und Entwicklung steckt. Alle genannten Konzerne haben im Krisenjahr 2020 ihre Investitionen in die Forschung deutlich erhöht.

Demgegenüber bewirkte Corona 2020 in Europa einen Rückgang an Investitionen in die Zukunft, wie eine aktuelle Analyse der Beratung EY für WELT zeigt: Volkswagen als der deutsche Konzern mit dem höchsten Forschungs- und Entwicklungsbudget investierte 2020 zwölf Milliarden Euro, gegenüber 13,1 im Vorjahr. BMW (5,6 Milliarden Euro) und Daimler (6,1) sparten ebenfalls leicht, SAP mit 4,5 und Siemens mit 4,4 Milliarden legten leicht zu. Deutlich mehr investierte lediglich der Chemiekonzern Bayer mit gut sieben Milliarden Euro, knapp zwei Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Zusammen investierten die 25 nach Budget forschungsstärksten börsennotierten deutschen Unternehmen 2020 56 Milliarden Euro. Insgesamt geht das statistische Bundesamt von Forschungsausgaben von 110 Milliarden Euro in Deutschland aus, die Zahl stammt von 2019, dürfte 2020 eher niedriger ausfallen. Allein die fünf zitierten US-Riesen investieren also mit etwa 108 Milliarden Euro so viel in Forschung wie alle Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Universitäten in Deutschland zusammen. Der Vergleich hinkt natürlich – aber er macht die Dimensionen deutlich.

„Wir sehen aktuell, welche Unternehmen so gut durch die Krise kommen, dass sie im Wettbewerb um Innovationen sogar noch zulegen können – und welche sparen müssen. Die Vor- und Nachteile, die sie dadurch davontragen, sehen wir erst in drei oder vier Jahren“, prognostiziert Mathieu Meyer, Managing Partner bei EY, im Gespräch mit WELT. „Natürlich können die US-IT-Riesen leicht große Summen in Forschung investieren, da dies von ihren Investoren erwartet wird. Diese Investments zahlen auf die in den aktuellen Aktienkursen abgebildete Erwartung auf bahnbrechende neue Technologien in der Zukunft ein.“

Was aber bekommen die Riesen für ihre gewaltigen Ausgaben? „Wir sehen aktuell, wie aus den Research Labs der Konzerne grundlegend neue Technologien kommen“, sagt Damian Borth, Direktor des Instituts für Informatik an der Universität St. Gallen, WELT. „Etwa Quantencomputer, oder bahnbrechende Erfolge im Bereich AI wie das Projekt Alphafold von Googles Tochter Deepmind, das das 50 Jahre alte Problem der Proteinfaltung löst. Da wird nicht nur ein Fortschritt in einem Spiel gemacht, da wird gleich das ganze Spielbrett ausgetauscht.“ Über spektakuläre Einzelerfolge hinaus erwerben die Konzerne aber auch kontinuierliche Wettbewerbsvorteile gegenüber kleineren Konkurrenten, erklärt der Forscher: „Mit solchen Budgets kann man sich leisten, parallel mehrere kleine Teams im Wettbewerb miteinander auf dasselbe Problem anzusetzen. Dadurch spart man nicht nur eventuell Zeit gegenüber der Konkurrenz, sondern kann auch eine Art internen Wissenschafts-Darwinismus betreiben, bei dem die talentiertesten Teams übrig bleiben.“

Im Wettbewerb um Wissenschaftstalente können die Konzerne dank exorbitanter Gehälter ohnehin unter den besten Bewerbern auswählen: Ein junger Doktorand bei Google oder Facebook verdiene deutlich mehr als ein Lehrstuhlinhaber an einer deutschen Universität, klagt ein deutscher Professor WELT. Darüber hinaus können die Konzerne durch ihre Investments in mehrere Grundlagenfelder gleichzeitig Synergieeffekte ausreizen, erklärt Experte Borth. „Diese Effekte verhindern ein Stück weit, dass, wie eigentlich erwartbar, der Grenznutzen der Forschungsinvestments abnimmt.“

Ein Beispiel dafür ist ein Wettbewerb zur Quantencomputerforschung namens „QHack Open Hackathlon“, den Google ausruft: Die 50 teilnehmenden Teams von Universitäten dürfen als erste auf eine neue Schnittstelle namens „Floq“ zugreifen, mit der sie ihre Simulationen auf speziellen AI-Servern in Googles gewaltiger Cloudinfrastruktur laufen lassen – laut Google hundert mal schneller als anderswo möglich. Solche Angebote locken die besten Forschergruppen an, da sie einen Zeitvorteil gegenüber anderen Projekten etwa an staatlichen Universitäten implizieren.

Nicht zuletzt legen die Konzerne durch Spenden und Kooperationen indirekt fest, an welchen Themen auch an Universitäten geforscht wird. „Wer Geld bekommen möchte, muss sich mit einem Projekt bewerben“, erklärt Borth. „Da die US-Konzerne solche Spenden von der Steuer absetzen wollen, dürfen sie nicht direkt Ergebnisse vorgeben – also wählen sie vorab aus, was sie fördern wollen.“ Wer sich geschickt bewirbt, bekommt nicht nur Geld, sondern auch als erster Zugang zu neuer Forschungshardware oder zur Computerinfrastruktur der Konzerne. Facebook etwa spendete 2016 gezielt Server für passende AI-Forschungsprojekte an Universitäten in Deutschland und Frankreich. Der Konzern listet auf Anfrage gleich 22 Universitäten in England, Frankreich, Italien, Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Belgien, die sie mit Forschungsförderung und Preisgeldern für Projekte unterstützen, darunter Eliteschmieden wie Oxford und deutsche Forschungsschwergewichte wie die TU München und das Karlsruher Institut für Technologie.

Amazon etabliert gezielt europaweit Forschungslabore an Universitätsstandorten wie Berlin oder Tübingen, sucht die Nähe zu Forschungsgemeinschaften dort. „Die Forschung des ‚Lablets‘ in Tübingen hat das Ziel, eine Kultur des Austauschs von Forschungsergebnissen in Form von Publikationen, Open-Source-Code und Daten zu etablieren“, kommentiert eine Amazon-Sprecherin. „Die Forscherteams kooperieren weltweit informell mit Fakultäten und Lehrstühlen, indem sie Doktorand:innen unterstützen und gemeinsame akademische Konferenzen organisieren.“ Die Nähe der Konzerne zur akademischen Forschung erleichtert nicht nur die Auswahl neuer Talente – sie ermöglicht auch, eigene Schnittstellen oder Technologiestandards als globale Forschungsstandards zu etablieren und damit Forscher noch enger an die eigene Infrastruktur zu binden.

All das ist nicht neu, es gehört seit Jahrzehnten auch zum Repertoire von Dax-Konzernen. Neu ist die Dimension. „Innovation kann man nicht erzwingen“, sagt Borth. „Aber mit solchen Investitionen kann man dafür sorgen, dass man keine Innovation verpasst, dass man ganz vorne dabei ist, wenn die nächste Technologierevolution kommt.“

BANSBACH kommentiert

Wie aktiv Forschung in Deutschland im weltweiten Vergleich betrieben wird, lässt sich an den jährlich angemeldeten Patenten ablesen. Am 15. Dezember 2020 veröffentlichte die Firma „Forschung und Wissen“ einen Beitrag, der diese Frage näher beleuchtete. Das Ergebnis der Studie ergab, dass in Deutschland aktuell jährlich rund 70.000 Patente angemeldet werden. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich mit großem Vorsprung weit vorn. Eine weitere Aussage auf der Basis der Daten des Jahres 2018 ist hingegen nicht so positiv: Im Bereich der digitalen Technologien liegen die deutschen Patentanmeldungen (2.051) weit hinter den Staaten USA (11.927), Japan (6.679), China (6.307) und Korea (4.370) zurück (Studie des Europäischen Patentamts „Patente und die vierte industrielle Revolution. Globale Technologietrends – Treiber datengesteuerter Wirtschaft“).

Neben den großen Konzernen werden auch in vielen kleinen und mittelständischen Betrieben Erfindungen zum Patent angemeldet. Dabei stellt sich die Frage, ob die Arbeitnehmer bereits mit ihrer Tätigkeitsvergütung für Patente, die sie für Ihre Arbeitgeber zur Patentreife bringen, bezahlt werden? Die Bundesregierung hat hierzu mit einer Richtlinie bereits im Jahre 1959 – zuletzt geändert am 1.9.1983 und veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 169, S. 9984 – Vorgaben gemacht, dass und in welchem Umfang Arbeitnehmer an den Verwertungen und Nutzungen der Patente zu beteiligen sind.

Die Vergütung des Arbeitnehmers stellt Arbeitslohn dar, der dem Lohnsteuerabzug unterliegt. Im Jahr 2013 hatte das Finanzgericht Münster die Frage zu entscheiden, ob die einmalige Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung steuerlich zu begünstigen ist. Im zu entscheidenden Fall erhielt ein Arbeitnehmer einmalig einen Betrag von 288 T€ zur Abgeltung aller Ansprüche aus dem Patent. Der Arbeitnehmer trug vor, dass er mehrere Jahre mit der Entwicklung und Anmeldung des Patents beschäftigt gewesen sei. Das Gericht versagte jedoch eine Vergünstigung: Die Vergütung war mit dem normalen Steuersatz zu versteuern (FG Münster vom 27.4.2013, 12 K 1625/12).

Werden in Ihrem Unternehmen auch Erfindungen entwickelt und Patente angemeldet? Sprechen Sie uns an, wenn es um die Beteiligung und Vergütung der an der Entwicklung beteiligten Mitarbeiter geht. Wir helfen Ihnen gerne.

    Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Formular zur Beantwortung meiner Nachricht erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach abgeschlossener Bearbeitung gelöscht. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Schlüssel.
    Vielen Dank für Ihre Nachricht.Ihre Anfrage ist soeben bei uns eingegangen.
    Wir werden uns in Kürze bei Ihnen melden.
    Zurück zur Übersicht