Ewige Verantwortung

Mit einem Kommentar von

Christian Roth

Steuerberater, Rechtsanwalt

Ewige Verantwortung

Nahezu die gesamte Spitzenpolitik befürwortet eine neue Unternehmensrechtsform: Eigentümer dürften dabei kein Kapital mehr entnehmen. Die Idee hat jedoch auch mächtige Gegner.

Nach dem Abitur war sein Ziel klar, sagt Waldemar Zeiler. Noch vor seinem 30. Geburtstag wollte der Gründer des Berliner Kondomherstellers Einhorn Millionär werden. Nach fünf bis sieben Jahren hätte er sein Jungunternehmen an einen Konzern verkauft, das Geld eingesackt. Heute ist Zeiler 38 Jahre alt, immer noch Geschäftsführer von Einhorn, und seine Pläne hören sich plötzlich anders an. Die Zusammenarbeit mit den Menschen sei ihm wichtiger, ebenso das Festhalten an langfristigen Unternehmenszielen und Werten.

Zeiler ist einer von mittlerweile 1200 Unterstützern einer neuen Rechtsform für Unternehmen, die den Traum vom schnellen Geld durch Start-up-Beteiligungen zunichtemachen würde. Sie nennt sich „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“, kurz GmbH-gebV. Das Prinzip: Vermögen und erwirtschaftete Gewinne bleiben stets im Unternehmen, Eigentümer können kein Kapital entnehmen. Zwar behalten sie weiterhin Stimm- und Teilhaberechte, agieren so aber nur als Treuhänder des Firmenvermögens. Im Herbst 2019 hat sich eine eigene Initiative gegründet. In der „Stiftung Verantwortungseigentum“ haben sich Hunderte Unternehmen zusammengefunden, um massiv für die neue Rechtsform zu werben. Zu den Unterstützern zählen auch Schokohersteller Ritter Sport und Versandhändler Otto.

Jetzt scheinen die Befürworter ihrem Ziel einen großen Schritt näher gekommen zu sein. Ihnen ist es gelungen, nahezu die gesamte deutsche Politprominenz auf die Idee einzuschwören, und das über alle Parteigrenzen hinweg. CDU-Kanzlerkandidat und -Parteivorsitzender Armin Laschet lobte das Konzept bei einer Veranstaltung am Mittwoch als „interessante Idee“, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nannte es „ausgesprochen sympathisch“. Und der Grünen-Co-Chef Robert Habeck verwies darauf, dass seine Partei die Änderung im Gesellschaftsrecht längst im Wahlprogramm festgeschrieben hat.

Eine neue Rechtsform würde Wirtschaftsgeschichte schreiben. Schließlich liegt die Schaffung der heute oft bevorzugten GmbH mehr als hundert Jahre zurück. Gibt es künftig also Eigentum ohne Zugriff auf das Vermögen? Bei den Gründen für eine solche Rechtsform schwingt eine große Portion unternehmerischer Idealismus mit. Statt Gewinnmaximierung soll der Unternehmenszweck im Vordergrund stehen. Denn Stimmrechte könnten nicht als Spekulationsobjekt gehandelt werden. Schließlich dürften auch Investoren ihre Anteile nicht mehr gewinnbringend verkaufen, sondern würden allenfalls noch vertraglich weiteres Kapital zuschießen. Die Hoffnung: Hier macht nur mit, wer sich den Werten der Firma verbunden fühlt. Außerdem seien die Hierarchien flacher, die Firmen sozialer und nachhaltiger, so das Argument. Denn Gewinne müssen stets reinvestiert, für bessere Gehälter genutzt – oder auch gemeinnützig gespendet werden.

Ökonomen sehen in der neuen Rechtsform auch bessere Möglichkeiten für Unternehmer, die oft so schwierige Firmennachfolge zu regeln. Dazu zählten vor allem solche, die keine nachfolgefähigen oder -willigen Kinder haben, gleichzeitig aber einem Verkauf an Privatinvestoren kritisch gegenüberstehen. Schließlich können Firmenanteile nicht mehr vererbt oder verkauft werden, das Unternehmen verselbstständigt sich stattdessen im Kreis von Brüdern und Schwestern im Geiste. „Es geht darum, die traditionellen Werte von Familienunternehmen – Langfristigkeit, Beständigkeit – abzusichern, auch unabhängig von der Familie“, sagt der ehemalige Chef der deutschen Wirtschaftsweisen Lars Feld. Es biete dem Mittelstand eine weitere sehr gute Option für die Regelung der Nachfolge.

Und dennoch: Trotz des breiten Rückhalts aus der Spitzenpolitik scheint die Umsetzung ungewiss zu sein. Zwar haben Rechtsprofessoren längst einen druckreifen Gesetzentwurf ausgearbeitet, haben diesen zuletzt noch überarbeitet. Doch das wohl wichtigste Haus ist weiterhin äußerst skeptisch: das Bundesjustizministerium. „Auch dieser überarbeitete Vorschlag würde eine grundlegende Veränderung im deutschen Gesellschaftsrecht bedeuten“, erklärt eine Sprecherin. Die Idee laufe darauf hinaus, das Kapital in den Unternehmen dauerhaft und über Generationen hinweg zu binden. Zukünftige abweichende Entscheidungen der nachfolgenden Generationen von Eigentümern oder Erben wären ausgeschlossen, gibt das Ministerium zu bedenken. Außerdem habe der Vorschlag ganz grundsätzliche Auswirkungen, die in das Zivil- und eventuell auch das Verfassungsrecht hineinwirken. „Das bedarf einer genauen Analyse und könnte nicht ohne eine breit angelegte Diskussion umgesetzt werden“, erklärt die Sprecherin. Außerdem seien bereits beachtliche Gegenstimmen laut geworden.

So etwa von Birgit Weitemeyer. Die Juristin sieht in der neuen Rechtsform ein „Gebilde der toten Hand“. Der hundertprozentige und ewige Lock-in-Effekt beim gebundenen Vermögen würde das freie Spiel des Kapitalismus einschränken, sagte die Direktorin des Instituts für Stiftungsrecht an der Bucerius Law School Hamburg vergangene Woche. Auch hätten Rechtsexperten häufig Missbräuche solcher Konstrukte mitbekommen. Kritiker befürchten verdeckte Gewinnausschüttungen, etwa durch überzogene Chefgehälter.

Das Konzept hat ebenso mächtige Gegner in der Wirtschaft. Der Verband der deutschen Familienunternehmer sieht darüber hinaus keinen wirklichen Nutzen. Denn die Idee, den Ausverkauf von Unternehmenswerten zu verhindern, ist keineswegs neu. Laut Stiftung Verantwortungseigentum setzen hierzulande bereits rund 200 Unternehmen auf ein solches Konzept – und zwar mithilfe anderer Rechtsformen. Der Automobilzulieferer Bosch nutzt etwa ein Stiftungskonstrukt. Rund 92 Prozent der GmbH gehören der Robert-Bosch-Stiftung. Und die ist nicht der Gewinnmaximierung unterworfen, sondern orientiert sich an gesellschaftlichen Werten. „Die Beteiligungsstiftung hat sich in Deutschland als Rechtsform bewährt“, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Sie stehe Gründern wie etablierten Familienunternehmen als attraktive Option offen. „Man sollte eher über Entbürokratisierung des Stiftungsrechtes nachdenken als über neue Rechtsformen wie die GmbH in Verantwortungseigentum“, sagt Kirchdörfer.

Ähnlich sehen es auch die deutschen Handwerksfirmen: „Die Geschäftstätigkeit im Handwerk ist seit jeher vom Prinzip eines Verantwortungseigentums getragen, ohne dass es hierfür einer eigenen Rechtsform bedürfte“, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

„Betriebe und Unternehmen im Handwerk denken nicht in Quartalen, sondern ihre Geschäftstätigkeit ist auf Generationen angelegt, nachhaltig und verantwortungsbewusst.“

Die Initiatoren wissen um die Kritik – und holten zum Gegenschlag aus. Sie ließen das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) Hunderte Familienunternehmer zu deren Stimmung befragen. Das Ergebnis: 72 Prozent der Unternehmen befürworten die Einführung einer Rechtsform für Verantwortungseigentum – unabhängig davon, ob diese Eigentumsform als Nachfolgeregelung für das eigene Unternehmen infrage kommt oder nicht. 57 Prozent der befragten Firmen „halten Verantwortungseigentum grundsätzlich für eine gute Lösung“, heißt es in der Erhebung. Und 42 Prozent können sich gar vorstellen, ihr eigenes Unternehmen in Verantwortungseigentum „fortzuführen oder zu übergeben“.

Auch einen bedeutenden Kritiker konnte die Initiative bereits auf ihre Seite ziehen: Friedrich Merz. Hatte sich der CDU-Politiker im Herbst noch ablehnend geäußert, sieht er in der neuen Rechtsform plötzlich gar die Chance für eine neue Gründerzeit in Deutschland. „Es muss in Deutschland wieder mehr Menschen Spaß machen, ein Unternehmen zu führen“, so Merz. Seine Partei solle deshalb in der nächsten Legislaturperiode daran arbeiten, dafür Lösungen zu finden. Und ohnehin sehen die Befürworter das wohl größte Argument auf ihrer Seite. „Es würde ja niemand gezwungen, die neue Gesellschaftsform mit gebundenem Vermögen zu wählen“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Feld. Aber die, die eine solche Form wählen wollen, sollten das auch können.

BANSBACH kommentiert

Oftmals besteht das Bedürfnis, das eigene Lebenswerk für die Nachwelt zu erhalten, auch und insbesondere dann, wenn keine (leiblichen) Nachfolger im Familienkreis vorhanden sind. Betrachtet man jedoch die potenten Unterstützer des Gesetzesvorhabens, so gelangt man schnell zu der Vermutung, dass die bundesweite Anzahl von Unternehmer überschaubar ist, für die diese neue Rechtsform relevant sein könnte. Als Gründer und Unterstützer werden u.a. Namen genannt wie Bosch, BMW-Stiftung und der Versandhändler Otto.

Interessant ist es, dass eine recht große Anzahl von Startup-Gründern der Initiative beigetreten ist. In einem offenen Brief vom 5. Oktober 2020 (s. hier: https://stiftung-verantwortungseigentum.de/fileadmin/user_upload/brief_mit.pdf) schildern sie ihren Wunsch, ihr Startup-Unternehmen nicht nach einer „primär exit-orientierten“ Firmenphilosophie zu gestalten, sondern in der Tradition von generationenübergreifenden Familienbetrieben. Offensichtlich scheinen auch andere, weniger kapitalkräftige Unternehmer Interesse an einer leicht zu händelnden und kostentechnisch überschaubaren Rechtsform zu haben, in der sie Ihr Unternehmen konservieren können.

Wir werden für Sie verfolgen, welche Entwicklungen sich hinsichtlich der GmbH-gebV in der kommenden Legislaturperiode ergeben und darüber informieren.

Bis zum Abschluss eines entsprechenden Gesetzgebungsverfahren bleibt aktuell nur die Möglichkeit, Vermögen durch die Gründung einer Stiftung zu erhalten. Das Vermögen der Stiftung wird dann für den Stiftungszweck eingesetzt, der in der Satzung der Stiftung festgelegt ist. Die Destinatäre (Personen oder Institutionen, die von der Stiftung begünstigt werden) erhalten lediglich die Erträge des Vermögens der Stiftung. Um durch die Errichtung einer Stiftung steuerliche Vorteile zu erlangen, muss diese anerkannten gemeinnützigen Zwecken dienen. In diesen Fällen kann es zu einer Befreiung von der Erbschaftsteuer führen und Zuwendungen des Stifters zum Kapitalstock der Stiftung werden bis zu einem Höchstbetrag von 1 Mio. € je Person, verteilt auf 10 Jahre bei der Einkommensbesteuerung begünstigt. Derzeit gibt es in Deutschland 23.230 rechtsfähige Stiftungen, von denen 93% als gemeinnützig anerkannt sind.

Die Ausgestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig und komplex. Gern informieren wir Sie über die Voraussetzungen für die Gründung und Gestaltung einer Stiftung und die wirtschaftlichen / steuerlichen Folgen. Sprechen Sie uns gerne an.

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