Zwischen Home und Office

Mit einem Kommentar von

Daniela Huber

Steuerberaterin

Zwischen Home und Office

Das Geschäftsmodell von WeWork mit Büro-Gemeinschaftsflächen schien in der Pandemie am Ende. Doch jetzt wächst der Bedarf an flexiblen Arbeitsplätzen. Manch klassischer Konzern lagert seine Büros aus.

Das Timing schien denkbar schlecht zu sein. Mitten in der Pandemie, Anfang Februar dieses Jahres, eröffnete WeWork das achte Gemeinschaftsbüro in Berlin – ein Flexoffice-Space am Warschauer Platz. Normalerweise arbeiten in diesen Büros mit flexibel buchbaren Arbeitsplätzen fremde Menschen auf offener Fläche Seite an Seite, tauschen sich aus in „community spaces“ und sitzen mit Teamkollegen oder Besuchern an langen Tischen nebeneinander.

Ausgerechnet im Februar aber erreichten die Infektionszahlen immer neue Höchststände. Während halb Deutschland im Homeoffice feststeckte, blieben die meisten der stylisch eingerichteten Coworking-Flächen und nagelneuen ergonomischen Arbeitsplätze in dem Neubau leer. Die mit edlem Holz ausgekleidete Dachterrasse: verwaist. Die Umgebung, normalerweise ein Partyhauptstadt-Hotspot: im pandemischen Winterschlaf. In der Zentrale von WeWork in New York summierten sich Milliardenverluste aus insgesamt 38 Ländern.

Doch das finstere erste Quartal dieses Jahres könnte der Wendepunkt in der schwierigen Geschichte des Büroflächen-Anbieters gewesen sein. Seit einigen Wochen meldet WeWork wieder deutlich mehr Anfragen nach flexiblen Arbeitsplätzen. Und die kommen laut Unternehmensangaben nicht mehr vornehmlich von Kurzfrist-Interessierten wie Start-ups oder Freiberuflern. Es sind Konzerne, die nach Alternativen zwischen Homeoffice und Hauptquartier suchen. „Ein Kunde aus dem klassischen deutschen Industriebereich greift jetzt sogar komplett auf WeWork-Flächen zurück und betreibt keine eigenen Büros mehr“, sagt Nikolay Kolev, Managing Director für Nord- und Zentraleuropa.

Viele alte Büroflächen in den Zentralen klassischer Konzerne sind überflüssig geworden. Sie waren schon vor Corona zum Teil ungenutzt und stehen jetzt fast leer. Andererseits fühlen sich viele Mitarbeiter im Homeoffice gestresst und vereinsamt. Weil zudem der junge Nachwuchs wenig hält von verstaubten 80er-Jahre-Büros, liegt eine Lösung für das Büro der Zukunft möglicherweise dazwischen. In der Immobilienwirtschaft hat man dafür schon eine passende, etwas magisch klingende Bezeichnung gefunden: „the third place“. Der dritte Ort. Es könnte der Ort sein, der künftig von Anbietern wie WeWork bereitgestellt wird.

WeWork hat eine Achterbahnfahrt hinter sich. Gerade erst 2010 von Miguel McKelvey und Adam Neumann gegründet, gab es schon früh einen Verdacht auf Bilanzkosmetik. Wie es sich für ein Start-up gehörte, verfolgte man eine aggressive Wachstumsstrategie, mietete rund um den Globus im Hauruck-Verfahren Flächen an und vermietete sie weiter, aufgewertet mit modernem Ambiente und Dienstleistungen. Zwar stiegen die Umsätze, doch ebenso stiegen die Verluste. Ein Börsengang im September 2019 scheiterte, Neumann trat als Vorstandschef zurück.

Die Pandemie verstärkte die Krise noch. Die Belegungsrate in den Büros fiel 2020 auf 47 Prozent, die Verluste stiegen auf 3,2 Milliarden Dollar. Das erste Quartal dieses Jahres brachte weitere Milliardenabschreibungen. WeWork trennte sich von Hunderten unnützer Liegenschaften. Hinter der Vollbremsung steckt Hauptinvestor Masayoshi Son, Chef des japanischen Softbank-Konzerns, der einen zweistelligen Milliardenbetrag in WeWork investierte. Son installierte im Februar 2020 den Immobilienspezialisten Sandeep Mathrani, der das radikale Kostensenkungsprogramm umsetzte. Bis vor Kurzem. Inzwischen werden wieder neue Standorte eröffnet, wie in Berlin.

Sogar ein Börsengang ist wieder geplant. Vor wenigen Wochen gab das Unternehmen einen Deal mit dem an der Nasdaq gelisteten Spac BowX Acquisition Corp bekannt. Spacs sind börsennotierte fertige Firmenmäntel, die aufstrebenden Unternehmen einen eigenen Börsengang ersparen. Zusammen mit der Börsen-Ankündigung gab WeWork seinen potenziellen Investoren ein Versprechen: Bis Ende 2021 wolle man profitabel sein, und bis Ende 2022 solle die Belegungsrate wieder auf 90 Prozent ansteigen. Der Vorsteuergewinn könne dann bei 485 Millionen Dollar liegen. Wer nur unter einen Spac-Mantel schlüpft, darf solche waghalsigen Ankündigungen machen.

Manche Analysten sind skeptisch. Doch blickt man auf den Markt nach der Pandemie, könnte tatsächlich der richtige Zeitpunkt für das Modell gekommen sein, das von WeWork und auch von etablierten Unternehmen wie Regus angeboten wird. Immer mehr große Unternehmen suchen nach hippen flexiblen Flächen. Vor wenigen Wochen bezog der schwedische Zahlungsanbieter Klarna eine neue Großbritannien-Zentrale in London auf über 1000 Quadratmetern – komplett bereitgestellt und vermietet von WeWork. In Deutschland hat die Deutsche Bahn schon vor einigen Jahren die „DB Digital Base“ in einem WeWork-Space in Berlin platziert – 350 Arbeitsplätze auf neun Etagen. „Ein großer Vorteil in Berlin ist der direkte Zugang zur Start-up-Szene und die einzigartigen Möglichkeiten zur Vernetzung“, so eine Bahn-Sprecherin. Ein offener Arbeitsplatz wie im neuen Flex Office Space am Warschauer Platz kostet rund 200 Euro im Monat.

WeWork-Regionalmanager Kolev sagt:

„Wir beobachten sogar, dass Unternehmen darüber nachdenken, zumindest Teile ihrer Zentralen in große Ballungszentren umzuziehen, dorthin, wo die Talente sind.“

Ein bisschen Start-up-Feeling ist noch vorhanden, und so spricht man bei WeWork auch nicht von „Kunden“, sondern von „Mitgliedern“. Rund 500.000 Mitglieder sind es zurzeit weltweit, die alles mieten, vom einzelnen Schreibtisch bis zum Konferenzzentrum. Inzwischen stellen aber Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern mehr als 50 Prozent der Mitgliedschaften. Im ersten Quartal dieses Jahres kamen 60 Prozent der neuen Verträge mit solchen Großkunden zustande, mit durchschnittlich 27 Monaten Laufzeit.

Für Kolev passt das alles zusammen: „Vor der Pandemie waren oft 50 Prozent der Büroflächen in großen Unternehmen überhaupt nicht oder kaum genutzt“, sagt er. „Bei den Mietverträgen waren sieben Jahre Vertragsdauer üblich. Jetzt setzt sich allmählich eine Planung mit 20 bis 30 Prozent flexiblen Flächen oder sogar mit externen Coworking-Flächen durch. Das stimmt uns optimistisch. Viele wollen einfach ihre Büro-Fixkosten reduzieren.“

Stephan Leimbach, Büromarktspezialist bei Immobiliendienstleister JLL, gibt Kolev recht: „Ich kann mir vorstellen, dass Unternehmen nur noch 80 Prozent der benötigten Fläche selbst mieten und den Rest über externe Anbieter bereitstellen lassen“, sagt er. Flexibilität sei gefragt. Doch auf der anderen Seite des Tisches sitzen oft noch Vermieter, die Verträge mit fünf oder zehn Jahren Laufzeit abschließen möchten. Pensionsfonds oder Versicherungen. Anbieter wie WeWork könnten da einen Zeitpuffer bilden. Oder auch einen Standort-Puffer: „Die klassischen Hauptsitze der Unternehmen sind nicht mehr die einzigen Standorte, sondern es wird mehr Außenstandorte geben, beispielsweise in Ballungszentren wie Berlin oder München – oder in Universitätsstädten wie Karlsruhe oder Aachen“, meint Leimbach. Uni-Absolventen wollen nicht mehr in die Provinzen der Deutschland AG, glaubt Leimbach:

„Mir hat ein Manager aus der Autobranche gesagt: ‚Wenn man die Zukunft der Mobilität entwickeln will, geht das nicht ausschließlich in Ingolstadt.’“

Leimbach rechnet damit, dass es mehr „third places“ geben wird, Hybride aus Coworking und Flexoffice. 1,3 Millionen Quadratmeter solcher Flächen gibt es in Deutschland, weitere 200.000 Quadratmeter seien geplant oder in Bau. „Insofern hat WeWork durchaus einen Business Case.“

In einer Studie der TU Darmstadt, die am kommenden Dienstag vorgestellt wird, wurde gezielt nach dem „dritten Ort“ gefragt: Immerhin sieben Prozent der Beschäftigten in Deutschland könnten sich demnach vorstellen, an einem Ort, der weder Hauptbüro noch Homeoffice ist, zu arbeiten. In den USA sagen das bereits 38 Prozent.

BANSBACH kommentiert

Die Pandemie hat in vielen Bereichen zu einem Umdenken geführt und Prozesse wie z.B. Homeoffice und digitale Heimarbeitsplätze vorangetrieben. Am 1. Juli wurden die Vorschriften zum betrieblichen Infektionsschutz der positiven Entwicklung des rückläufigen Infektionsgeschehens angepasst. Auch die Homeoffice-Pflicht ist zu diesem Datum ausgelaufen .

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland hat sich diesem Thema ebenfalls gewidmet und zitiert Herrn Beyerle, den Präsidenten der Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. (gif). Er hält es für wahrscheinlich, dass Unternehmen häufiger Co-Working in der Nähe der Angestellten anbieten. „Aber nicht mit Hängematte und ‚Bier nach vier‘, sondern Unternehmen setzen ihre Mitarbeiter in der Nähe ihrer Wohnorte zusammen“, erklärt Beyerle. Solche zentralen „Hubs“ seien gut angebundene Flächen, wo Unternehmen 30 Mitarbeitende hinbringen oder eine ganze Etage anmieten könnten. „Ich kenne Unternehmen, die lieber in Ulm ein Co-Working-Space mitfinanzieren, als auf ihrem eigenen Werksgelände noch einen weiteren Büroturm hochzuziehen“, sagt Beyerle. „Heute versucht man eher regionale Punkte zu finden, die gut vernetzt sind – Augsburg als Alternative zu München zum Beispiel“.

Dies hat auch Folgen in der Bilanzpolitik. Wirtschaftsgüter werden nicht mehr in eigenen oder angemieteten Räumlichkeiten angeschafft und abgeschrieben, sondern die gesamte benötigte Infrastruktur wird im Co-Working temporär und quantitativ flexibel angemietet. Hierdurch sinkt die Kapitalbindung eines Unternehmens und dies kann sich durchaus positiv auf die Eigenkapitalquote auswirken. Im Gegenzug gehen den Unternehmen allerdings Möglichkeiten verloren, durch Abschreibungen ihr Ergebnis zu gestalten.

Spannend und sicherlich noch nicht final ausgeurteilt ist auch die Behandlung von Dienstfahrzeugen bei wechselnden Einsatzorten wie dem Firmensitz, dem Homeoffice und dem Co-Working. So hat z.B. kürzlich die Finanzverwaltung hinsichtlich des Homeoffice wie folgt entschieden:

„…steht ein Fahrzeug in einem Monat für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ‚zur Verfügung‘, wird der 0,03 %-Vorteil unabhängig von der Anzahl der tatsächlichen Fahrten zum Betrieb angesetzt. Fährt der Arbeitnehmer infolge der Homeoffice-Tätigkeit in einem kompletten Monat nicht in den Betrieb, muss dennoch die 0,03 %-Regelung angewendet werden…“ (FM Schleswig-Holstein v. 21.5.2021 – ESt-Kurzinfo, DB 2021, 1368).

Planen Sie, den Einsatzort Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig flexibel zu gestalten? Dann sprechen Sie uns an. Gerne zeigen Ihnen die Gestaltungsmöglichkeiten und jeweiligen Konsequenzen auf.

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