Flüssig durch die Pandemie kommen

Mit einem Kommentar von

Jobst Bartmer

Assessor iur.

Flüssig durch die Pandemie kommen

Bankkredite, Betriebskapital, Börsengang: Ein Blick auf aktuelle mittelständische Finanzierungen.

„Die Corona-Pandemie hilft, ein noch besserer Unternehmer zu sein.“ Davon ist Fabrizio Sepe überzeugt. Der Gesellschafter des Serengeti-Parks in Hodenhagen investiert nach einem 35-prozentigen Umsatzeinbruch 2020 in die Zukunft seines Familienbetriebs. So beginnt im Juli der Bau einer großen Achterbahn für 4,5 Millionen Euro, die 2022 in Betrieb gehen soll. 4,34 Millionen Euro davon finanziert die HypoVereinsbank über ein Darlehen, der Rest ist Eigenkapital. Weitere, 2021 eröffnete Projekte für knapp 1,6 Millionen Euro stemmt der Safari- und Freizeitpark über Kredite bei seinen anderen Hausbanken: zum Beispiel eine Anlage für sibirische Tiger, eine für Präriehunde und den Umbau mehrerer parkeigener Doppeldecker-Busse zu Übernachtungs-Möglichkeiten. Zudem testet Sepe einen für ihn neuen Finanzierungsweg. So will er ab Ende Juni erstmals über eine sogenannte Crowdfunding-Plattform 900.000 Euro bei Kleinanlegern im Internet für eine Elefantenhalle einsammeln.

Der Osnabrücker Spezialpapier-Hersteller Kämmerer wiederum investiert 7,5 Millionen Euro in die seit Sommer 2020 laufende Umrüstung seines Kraftwerks, das er bislang zu 75 Prozent mit Kohle betrieben hat. Ab 2022 soll die Anlage jährlich bis zu 60 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen und 85 Prozent Altholz sowie 15 Prozent Kohle benötigen. Eigentlich wollte der Mittelständler „die ersten 4,5 Millionen Euro“ über seinen Cash-Flow finanzieren, doch „dann kamen die katastrophalen Monate April und Mai 2020“, sagt Geschäftsführer Jürgen Oess. Damals war der Umsatz um 60 Prozent eingebrochen – und das Unternehmen stellte die Finanzierung teilweise um.

Der geplante Leasing-Anteil in Höhe von 1,5 Millionen Euro bleibt gleich, während aus dem Cash-Flow nur noch 1,5 Millionen Euro stammen. Dazu kommt ein 4,5-Millionen-Euro-Darlehen der KfW Bankengruppe, beantragt durch die Hausbank des Herstellers. Es habe seinem Unternehmen in der Pandemie „sehr geholfen, dass wir mit der Commerzbank frühzeitig unterschiedliche Szenarien für mögliche Geschäftsverläufe während der Pandemie aufgestellt haben“, sagt Oess.

Auch der Daldorfer Holzgroßhändler, Holzimporteur und Produzent Bernd Jorkisch hat investiert. Er hatte „Glück in der Pandemie, unsere Auftragsbücher waren und sind mehr als voll.“ Sein gleichnamiges Unternehmen profitiert davon, dass viele Menschen zu Hause Heimwerker-Projekte umgesetzt haben. Corona sei „das I-Tüpfelchen“ gewesen, um Geld in die Zukunftsfähigkeit zu stecken. Er kaufte Lagerlogistik wie Regalanlagen und Stapler, leaste Lkws mit Spezialausstattung und erwarb eine digital gesteuerte Abbundanlage für die Produktion hölzerner Gartenhäuser. Für die Gesamtinvestition „im unteren siebenstelligen Bereich“ wählte Jorkisch einen „konservativen Finanzierungsmix“, wie schon vor der Pandemie: 45 Prozent Leasing, 40 Prozent Eigenkapital, 15 Prozent Bankdarlehen.

Die drei Unternehmen sind Beispiele dafür, wie Mittelständler Investitionen während der Pandemie finanzieren.

Auch die Lübecker Veranstaltungsagentur Brainchildz hat investiert, nachdem sie ab März 2020 eine 100-prozentige Stornoquote verkraften musste. „Wir haben den Kopf nicht in den Sand gesteckt“, sagt Geschäftsführer Malvin Neugebauer, „sondern neue Projekte entwickelt.“ Zwei sind geblieben: Die Geschenkbox „Freudenmacher“ mit regionalen Produkten für Mitarbeiter von Unternehmen ist mittlerweile eine eigene Firma. Dazu kommt die digitale Veranstaltungsplattform „bcz.digital“.

Die dafür erforderliche „sechsstellige Investition“ finanzierte die Agentur über ihre Liquiditätsreserven, einen Kredit der Sparkasse zu Lübeck und ein Darlehen aus dem Mittelstandssicherungsfonds Schleswig-Holstein. Zudem hat sich die Flensburger Agenturgruppe Hochzwei Anfang 2021 an der Firma beteiligt.

Zwar sind die beschriebenen Investitionen keine Einzelfälle. Dennoch sieht Dietmar Kuhlmann von der Commerzbank „keine breite Investitionswelle“ im Mittelstand. Ging es während der ersten Corona-Welle darum, die Liquidität zu sichern und Vorsorge zu treffen, bemerkt der Leiter strukturierte Finanzierungen West, dass die Unternehmen „gut vorbereitet und sehr professionell“ durch die zweite und dritte Welle steuern.

Elmar Jakob von der Frankfurter Finanzierungsberatung Ipontix Corporate Finance betont, der Mittelstand sei nach wie vor „sehr bankenfixiert“ bei Investitionen. Der geschäftsführende Gesellschafter nimmt aber wahr, dass das mittelständische Interesse an Börsengängen „in letzten zwölf Monaten deutlich zugenommen hat.“ Hintergrund sei, dass auch deutsche Anleger seit Pandemiebeginn wieder stärker in Aktien investieren.

Ein Beispiel für einen Börsengang ist hGears aus Schramberg, der Getriebeteile für E-Bikes und Elektroautos herstellt. Das Unternehmen ist am 21. Mai zu einem Ausgabepreis von 26 Euro an die Frankfurter Börse gekommen. Der Nettoerlös aus dem Börsengang soll vor allem verwendet werden, um die Aktivitäten und das organische Wachstum im Geschäftsbereich E-Mobilität weiter voranzutreiben, heißt es in einer Unternehmensmitteilung.

Das Börsengangsvolumen lag Daniel Kartje zufolge bei 173 Millionen Euro. Er ist Partner der Frankfurter Beteiligungsgesellschaft Finatem, die mit 90 Prozent Mehrheitsaktionärin des Getriebeteile-Herstellers war und jetzt noch etwa 32 Prozent daran hält. „Das Zeitfenster hat optimal gepasst für einen Börsengang“, sagt Kartje. „Institutionelle Investoren haben Kapital“ und kleine Firmen seien noch nicht so hoch bewertet wie größere.

Welche weiteren Finanzierungs-Trends sind zu beobachten?

Jörg Kube, Leiter des Firmenkundengeschäft in Norddeutschland bei der HypoVereinsbank, erlebt ein „spürbares Interesse an Working-Capital-Lösungen, um Liquidität und Bilanz zu optimieren sowie Lieferketten zu stabilisieren.“ Das Betriebskapital oder Working Capital ist die Differenz aus dem Umlaufvermögen und den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Wer es verbessern will, verkauft etwa Forderungen.

Commerzbank-Experte Kuhlmann nimmt wahr, dass Mittelständler verstärkt flexible Formen im Bereich der Working-Capital-Finanzierungen suchen. Es gehe um „atmende Linien, die sich an der Höhe der Forderungen oder am Lagerbestand orientieren. Als Beispiele nennt er Factoring, also den Verkauf von Forderungen, die Ausgabe von Geldmarktpapieren, die unterlegt sind mit Forderungen – genannt Asset Backed Commercial Papers (ABCP) – und Borrowing-Base-Finanzierungen. Das sind „atmende Kreditlinien“, welche sich etwa für Firmen eignen, die wegen eines saisonalen Geschäfts oder schwankender Rohstoffpreise einen wechselnden Bedarf an Betriebsmittelkrediten haben.

Britta Becker, Partnerin bei der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Ernst & Young, konzentriert sich vor allem auf das produzierende Gewerbe. Hier nimmt sie wahr, dass Factoring und ABCP stärker nachgefragt werden. Eva Sartorius, Mitglied der Geschäftsleitung bei der A.B.S. Global Factoring AG aus Wiesbaden, beobachtet seit Anfang 2021 den Trend, dass sich Mittelständler via Factoring unabhängiger von ihren Banken machen wollen. Die Anfragen in ihrem Unternehmen „haben sich im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorquartal mehr als verdoppelt.“

Ein anderer Trend sind grüne oder nachhaltige Finanzierungsprodukte wie Anleihen, Schuldscheine und Kredite. Kube von der HypoVereinsbank sieht „großen Beratungsbedarf speziell bei mittelständischen Unternehmen.“ Mit diesen Finanzierungen könnten sich Firmen zu attraktiven Konditionen nachhaltig aufstellen und Engagement beim Thema Nachhaltigkeit zeigen.

BANSBACH kommentiert

Die besonderen Anforderungen an die Unternehmensfinanzierung während der Pandemie scheinen sukzessive der (jungen) Vergangenheit anzugehören, wenn man den Ausführungen des Statistischen Bundesamtes Glauben schenken darf. In der Pressemitteilung vom 13. Juli 2021 wurde nochmals auf das problematische 1. Quartal 2021 hingewiesen, allerdings mit deutlich positiven Aussagen für Einzelhandel, Gastgewerbe und Tourismus im zweiten Quartal 2021. Das INSTITUT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT hat am 12. Juli 2021 den Bericht über eine groß angelegte Unternehmensbefragung vorgelegt. Das erfreuliche Ergebnis ist, dass trotz aktuell noch bestehender Lieferengpässe die Mehrheit aller befragten Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung für das 2. Halbjahr 2021 eine um 15% höhere Geschäftstätigkeit als im Jahr 2020 erwartet. Lediglich 15% der befragten Unternehmen sehen eine Abschwächung.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass entgegen der weitläufigen Einschätzung die Welle an Insolvenzen bislang ausgeblieben ist und im April 2021 die Zahl der gemeldeten Insolvenzen 9% unter dem Vorjahr und sogar 21% unter dem Wert des Jahres 2019 lagen. Der Grund hierfür sind im Wesentlichen die staatlichen Unterstützungen.

Aber gerade prosperierende Umsätze führen häufig zu Liquiditätsengpässen. Waren, Projekte und Dienstleistungen müssen ggfs. in größerem Umfang vorfinanziert werden und die vorhandenen Liquiditätsreserven reichen nicht aus.

Wie der Autor zutreffend beschrieben hat, ist eine enge Kooperation mit den (Haus-)Banken unerlässlich. Dabei ist die Transparenz aktueller wirtschaftlicher Entwicklungen sowie ein Forecast ein wichtiger Bestandteil der Zusammenarbeit. Wir stehen Ihnen gern zur Seite, wenn Sie den Informationsaustausch mit Ihrem Kreditinstitut laufend und aktuell darstellen wollen. Wir ermitteln mit Ihnen den mittelfristigen Finanzbedarf Ihres Unternehmens und die optimale Lösung, wie z.B. die befristete Ausweitung eines Kontokorrents, eine projektbezogene Zwischenfinanzierung oder eine längerfristige Kreditlinie auch unter dem Aspekt der Gestellung von Sicherheiten wie Zessionen oder Sicherungsübereignungen. Gern prüfen wir auch, ob Factoring für Sie ein probates Mittel darstellt. Sprechen Sie uns gerne an!

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