60 Prozent der Haushalte schränken ihre Einkäufe ein

Mit einem Kommentar von

Christian Roth

Steuerberater, Rechtsanwalt

Gespart wird vor allem bei Mode und Möbeln, aber auch der Lebensmittelkauf hat sich verändert

Aufgrund der hohen Preise schränken sich mittlerweile 60 Prozent der Bundesbürger beim Einkaufen ein. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE), die WELT exklusiv vorliegt. Teils ist diese Zurückhaltung alternativlos, weil die Verbraucher sonst nicht mehr mit ihrem Geld auskommen.

Davon jedenfalls berichten 83 Prozent der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 1500 Euro und immerhin noch 62 Prozent der Teilnehmer mit einem verfügbaren Monatsbudget zwischen 1500 und 3500 Euro. Verändert hat sich das Einkaufsverhalten aber auch in den Haushalten, die es sich noch leisten könnten, unverändert Geld auszugeben, heißt es in der HDE-Umfrage. Immerhin 71 Prozent aus dieser Gruppe kaufen aus Sorge vor weiter steigenden Kosten weniger oder zumindest günstiger ein. Gespart wird vor allem bei Bekleidung, Möbeln und Unterhaltungselektronik. Zudem kündigen die Verbraucher an, künftig die Zahl der Restaurant- und Kneipenbesuche zu reduzieren sowie weniger Urlaub und Ausflüge zu machen und darüber hinaus Freizeit- und Kulturveranstaltungen wie Kino, Theater und Konzerte vielfach zu streichen. „Die Konsumstimmung ist seit Monaten im Keller, die Kunden sind mit Blick auf die großen Unsicherheiten bei Energie und Preisen sehr zurückhaltend“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.

Auch bei Lebensmitteln hat sich das Einkaufsverhalten radikal verändert. Gab es in der Corona-Krise noch den Trend zu Bio und Markenware, um sich etwas zu gönnen, steht nun wieder der Preis im Fokus. So geben 60 Prozent der Befragten an, beim Lebensmittelkauf verstärkt Sonderangebote zu nutzen, viele wechseln zudem den zu günstigeren Handelsmarken. 46 Prozent verzichten wiederum auf den Kauf bestimmter Produkte und knapp ein Drittel reduziert die Einkaufsmengen bei Essen und Getränken. Bestätigt wird die HDE-Studie mit ihrem pessimistischen Branchenblick von den Konsumforschern der GfK. Deren Stimmungsbarometer hat auch im September den Sinkflug der vergangenen Monate fortgesetzt – sowohl bei den Einkommenserwartungen als auch bei der Anschaffungsneigung. Letztere fiel auf den niedrigsten Stand seit der Finanzkrise 2008, bei den Einkommenserwartungen wurde ein neues Allzeittief erreicht. Und GfK-Experte Rolf Bürkl rechnet mit einem noch weiter fallenden Konsumklima. „Die derzeit sehr hohen Inflationsraten führen zu großen realen Einkommenseinbußen unter den Verbrauchern und damit zu einer deutlich geschrumpften Kaufkraft.“ Besserung sei nicht in Sicht.

„Da im Moment nicht absehbar ist, wann sich die Inflation wieder spürbar abschwächt, stehen dem Konsumklima in den kommenden Monaten schwierige Zeiten bevor,“

prognostiziert Bürkl. Tatsächlich rechnen Volkswirte bis mindestens Mitte 2023 nicht mit einer spürbaren Verbesserung der Inflation. Wenn sich der private Konsum aber weiter abschwächt, verstärkt sich die ohnehin vorhandene Tendenz zur Rezession. Auf diese Abschwächung deutet indes auch die HDE-Umfrage hin, für die in der letzten August- und in den ersten beiden September-Wochen gut 1600 Konsumenten befragt wurden. Ganze 76 Prozent von ihnen wollen oder müssen sich in Erwartung weiterer Preissprünge in den kommenden Monaten einschränken. Das sind noch mal 16 Prozentpunkte mehr als zum jetzigen Zeitpunkt.

Der HDE warnt nun vor Pleiten und drohenden Strukturbrüchen. „Für die Unternehmen ist die schlechte Verbraucherstimmung eine große Herausforderung. Denn nach zwei extrem fordernden und für viele wirtschaftlich schwierigen Jahren der Pandemie müssen sie zudem auch im eigenen Betrieb mit den exorbitant steigenden Energiekosten zurechtkommen. Das überfordert viele und gefährdet unternehmerische Existenzen und Arbeitsplätze“, meint Genth und verweist auf eine weitere HDE-Befragung aus der vergangenen Woche, wonach sich mittlerweile jeder zweite Einzelhändler hierzulande in Existenznot wähnt. Um durchschnittlich 150 Prozent seien die Energiekosten seit Jahresbeginn gestiegen, melden die Einzelhändler.

„Das stellt nun sämtliche Kalkulationen auf den Kopf und bringt viele Händler in aus eigener Kraft unlösbare Situationen,“

sagt Genth, demzufolge die durchschnittliche Umsatzrendite im Handel bei 1,5 bis zwei Prozent liegt. Zunehmend viele Unternehmen stünden deswegen bereits an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Und eine Weitergabe der Kosten an die Kunden sei angesichts des dramatischen Kaufkraftverlustes der privaten Haushalte, aber auch wegen des harten Wettbewerbs in Deutschland nur sehr bedingt oder überhaupt nicht möglich.

Der HDE fordert indessen temporäre und schnell wirksame Wirtschaftshilfen, etwa eine Gas- und Strompreisbremse. „Zudem darf der Handel bei den Hilfsprogrammen nicht hinten runterfallen. Wer die Branche vergisst, ignoriert ihre Bedeutung als Arbeitgeber und Kernelement der Innenstädte“, sagt Verbandschef Genth. „Bislang sind weite Teile der Wirtschaft wie der Einzelhandel von den Entlastungsmaßnahmen ausgenommen. Hunderttausende kleine und mittlere Betriebe stehen in der schwierigen Zeit allein da. Das muss sich ändern.“

BANSBACH kommentiert

Der Artikel datiert aus Ende 9/2022. Seither hat sich der Konsumklimaindex weiterhin verschlechtert, wie die Statista GmbH ermittelt hat. Möglicherweise ist im Oktober der Tiefpunkt überschritten und eine leicht positive Tendenz zeichnet sich im November ab.

Trotzdem sollten Sie für Ihre Planung des kommenden Jahres auch ein worst case Szenario berücksichtigen. Wie stellt sich ihre Unternehmensentwicklung unter Berücksichtigung erhöhter Einkaufspreise und Energiekosten sowie gestiegener Personalkosten dar? Und welche Umsatzprognosen sind realistisch?

Viele – und insbesondere kleinere – Unternehmen haben bisher auf eine Finanz- und Liquiditätsplanung verzichtet und auf Entwicklungen situativ reagiert.

In der aktuellen Situation raten wir Ihnen, sich mit der möglichen Entwicklung Ihres Unternehmens auseinanderzusetzen und bereits jetzt den Handwerkskasten möglicher Maßnahmen vorzubereiten. So kann es sinnvoll sein, bereits im Vorfeld einer schwierigen Lage mit Ihrer Bank über ggfs. benötigte finanzielle Spielräume zu sprechen. Personelle Entscheidungen benötigen aufgrund der Kündigungsfristen einen längeren Vorlauf. Eine eventuell erforderliche Anpassung des Sortiments / des Leistungsangebots sowie die Preiskalkulation benötigt Zeit. Diese und weitere potentielle Maßnahmen sind stets individuell mehr oder minder geeignet.

Wir stehen Ihnen als Berater und Sparringspartner gern zur Verfügung. Wir erstellen mit Ihnen eine Finanz- und Liquiditätsplanung und stellen gemeinsam einen Maßnahmenkatalog auf, damit Sie für unterschiedliche Unternehmensentwicklungen gewappnet sind.

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