Brüssel plant den Steuerpranger für Großunternehmen

Mit einem Kommentar von

Andreas Katz

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater

Brüssel plant den Steuerpranger für Großunternehmen

Künftig sollen alle Bürger EU-weit einsehen können, in welchem Land die Konzerne ihre Gewinne machen und wo sie wie viel Steuern zahlen.

Brüssel Für Großkonzerne, die weltweit Gewinne und Umsätze verschieben, um Steuern zu sparen, könnte es in Europa ungemütlich werden. Dann nämlich, wenn die EU-Mitgliedstaaten sich Donnerstag einigen, neue Regeln für große Unternehmen auf den Weg zu bringen. Die Einigung wäre auch eine Niederlage für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der sich lange gegen solche Regeln gewehrt hat.

Vorgesehen ist eine Art europäischer Steuerpranger: Künftig soll für alle Bürger einsehbar veröffentlicht werden, in welchem EU-Land internationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz ihre Gewinne machen und wie viel Steuern sie in den einzelnen EU-Ländern zahlen. Dadurch soll öffentlich werden, welche Unternehmen Gewinne in Steueroasen oder Niedrigsteuerländer wie die Niederlande verlegen und dabei andere nationale Steuerbehörden um ihre Einnahmen bringen.

Die Vorgaben sollen auch für Unternehmen von außerhalb der EU gelten, wenn sie in der Union Geschäfte machen und eine Niederlassung haben. Also für Starbucks etwa, Amazon oder Apple. Die Idee dahinter: Die Datenbank soll so viel öffentlichen Druck auf Steuervermeider und ihre Heimatländer aufbauen, dass Unternehmen ihre Praxis ändern und EU-Länder, die bisher gemeinsame Steuerregeln in der EU verhindern, ihre Blockade aufgeben. Niedrige Unternehmensteuern gehören für Länder wie die Niederlande, Irland oder Malta zum nationalen Geschäftsmodell.

„Wir haben keinen fairen Wettbewerb im Steuerbereich“, klagt denn auch Sven Giegold. Der Grünen-Abgeordnete im Europaparlament hat die Initiative in den vergangenen Jahren entscheidend vorangetrieben.

„Die meisten Unternehmen zahlen angemessen Steuern und einige wenige nicht, und das ist schwer zu ändern, weil die Steueroasen in EU-Steuerfragen wegen der notwendigen Einstimmigkeit bisher jede Reform blockieren.“

Tatsächlich müssen sich bei neuen EU-weiten Regeln in Steuerfragen alle EU-Länder einig sein – schließlich können derlei Entscheidungen erhebliche Konsequenzen für die nationalen Finanzen haben.

Über die öffentlichen länderbezogenen Berichtspflichten beraten allerdings die Fachminister für Wettbewerbsfähigkeit, und in deren Runde ist keine Einstimmigkeit nötig. Dass dieses Forum über das Vorhaben verhandelt, ist einem Kniff der Europäischen Kommission zu verdanken, die den Gesetzentwurf geschrieben hat.

Weil es um Berichtspflichten gehe und nicht um Steuerfragen, müsse das Thema im Forum für Wettbewerbsfähigkeit behandelt werden, hatte die Kommission, die derlei Verfahrenswege festlegen darf, dem Gesetz mit auf den Weg gegeben. Das war 2016. Seitdem steckt das Vorhaben in der Brüsseler Gesetzesmühle fest. Auch die Bundesregierung hat sich der Initiative bis zuletzt widersetzt.

Während der deutschen Ratspräsidentschaft tauchte das Vorhaben gar nicht erst auf den Tagesordnungen der zuständigen Gremien auf. Erst Portugal, das zum Jahreswechsel die Aufgabe übernommen hat, machte die Transparenzinitiative wieder zum Thema.

Das Ergebnis:

Am Donnerstag beraten die nationalen Minister über die Initiative, Anfang März könnte sie dann beschlossen werden. Für die Bundesregierung sitzt eigentlich Wirtschaftsminister Peter Altmaier in dem Gremium, er wird allerdings am Donnerstag seine Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß in die Videokonferenz schicken. Das erspart Altmaier eine Blamage, denn gegenwärtig sieht es so aus, als komme die nötige Mehrheit für das Vorhaben zustande. Darauf verlassen können sich die Befürworter allerdings noch nicht; Deals in letzter Minute gibt es in Brüssel schließlich immer wieder.

Großkonzerne wehren sich derweil gegen die Pläne. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat protestiert genauso wie der europäische Arbeitgeberverband BusinessEurope. Die Maßnahmen würden Investoren abschrecken, Geschäftsgeheimnisse europäischer Unternehmen gegenüber Konkurrenten offenlegen und die Beziehungen zu den USA in Mitleidenschaft ziehen.

Auch die deutsche Stiftung Familienunternehmen, die große nicht börsennotierte Konzerne wie Dr. Oetker oder Trumpf vertritt, kritisiert die Pläne. Eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung kommt zu dem Schluss, dass der bereits praktizierte vertrauliche Austausch von Finanzdaten zwischen den Steuerbehörden verschiedener Länder funktioniert und dafür sorge, dass mehr Steuern gezahlt werden. Es sei nicht nötig, diese ausgetauschten Daten auch noch öffentlich zu machen.

Auch die OECD warnt vor den Plänen. Der Klub vorwiegend wohlhabender Industriestaaten hat in jahrelangen Verhandlungen bereits das vertrauliche Country by Country Reporting zwischen den Steuerbehörden erreicht. „Eine europäische Regelung rüttelt am internationalen Konsens“, warnt Achim Pross, Leiter des Bereichs Steuerverwaltung bei der OECD.

BANSBACH kommentiert

Das Thema ist komplex und wird in dem oben aufgeführten Artikel nur oberflächlich angerissen.

Wenn Sie sich mit der durchaus spannenden Thematik näher beschäftigen möchten, können wir Ihnen die Stellungnahme der © Stiftung Familienunternehmen (München 2017, ISBN: 978-3-942467-52-0) empfehlen.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH in Mannheim hat für die Stiftung eine umfangreiche Analyse erarbeitet. Die dreiseitige Zusammenfassung der Analyse verschafft einen guten Einstieg in die Problemfelder des Referentenentwurfs CbCR (Country by Country Reporting im Internet). Hier werden die möglichen Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen, die von der Offenlegung betroffen sind und solchen, die entweder unter der Anwendungsumsatzgrenze liegen oder im Ausland ansässig sind, dargestellt und deren Einhaltung des Reportings kaum durchsetzbar ist. Ergänzend werden die Kosten der Implementierung, aber auch die Probleme des Datenschutzes und des Steuergeheimnisses näher beleuchtet.

Wie kontrovers das Thema diskutiert wird, können Sie im Vergleich zu vorstehenden Ausführungen einem Aufsatz entnehmen, veröffentlicht von Corporate Europe Observatory (CEO) und LobbyControl e.V. Brüssel und Köln, Juni 2020 (https://corporateeurope.org/sites/default/files/2020-06/Corporate-lobbying-DE-presidency-web%20DE.pdf). Unter dem Titel: „Geheimniskrämerei: der Kampf der deutschen Unternehmen gegen die Steuertransparenz“ von Christoph Trautvett stellt dieser die Thematik aus einem gänzlich anderen Blickwinkel dar und gelangt zu dem Ergebnis, dass diese für eine Vermeidung von unzulässigen Gewinnverschiebungen in Steueroasen unerlässliche Gesetzesänderung nur durch Lobbyisten der Großindustrie und der Konzerne verhindert wird.

Während die CbCR – Regelung auf EU-Ebene Großunternehmen und Konzerne betrifft, gibt es auch im nationalen Verfahrensrecht Dokumentations- und Informationspflichten für alle Mandanten, die Auslandsbeziehungen unterhalten. Diese Pflichten betreffen im Wesentlichen die Gründung bzw. den Erwerb von Betrieben und Betriebsstätten im Ausland, ebenso den Erwerb, die Aufgabe oder die Veränderung einer Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft. Der Erwerb oder die Veräußerung von Beteiligungen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland ist nur meldepflichtig, wenn die Beteiligung mindestens 10 % (unmittelbar oder mittelbar) umfasst oder die Anschaffungskosten für alle Beteiligungen mehr als 150.000 EUR betragen (wobei Beteiligungen von weniger als 1 % an gewissen börsennotierten Gesellschaften nicht in die 150.000 EUR-Grenze einbezogen werden).

Wenn Sie im Ausland tätig sind oder dort Unternehmensbeteiligungen unterhalten, sprechen Sie uns an. Wir helfen gern, die gesetzlichen Mitteilungspflichten (nach §138 (2) und 138 b AO) zu erfüllen.

 

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