Das Bitcoin-Experiment

Mit einem Kommentar von

Manuel Trautmann

Steuerberater

Das Bitcoin-Experiment

Große Veränderungen können kleine Anfänge haben. Auf diese historische Erfahrung berufen sich die Fans des Bitcoins. Anlass ist ein Ereignis in Mittelamerika. Am Dienstag hat dort mit El Salvador das erste Land der Welt die Kryptowährung als gesetzliches Zahlungsmittel zugelassen. Bitcoin-Anhänger erwarten aber, dass sich schnell Erfolge einstellen werden und El Salvador den Durchbruch für digitales Geld bringt.

In Zukunft würden noch viel mehr Staaten diesem Vorbild folgen. Die Skeptiker hingegen sagen voraus, dass das monetäre Experiment mit den rund 6,5 Millionen Salvadorianern rasch offenbaren wird, dass Bitcoin als Zahlungsmittel im Alltag nicht funktioniert. Ihrer Meinung nach handelt es sich bei den Geschehnissen in Mittelamerika lediglich um den geldpolitischen Spleen eines Technologie-besessenen jungen Präsidenten.

Einige Faktoren machen El Salvador zum perfekten Versuchsfeld für digitales Geld, das sich – wie im Fall von Bitcoin – nicht beliebig vermehren lässt. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 25 Milliarden Dollar im Jahr handelt es sich um eine eher unbedeutende Volkswirtschaft – 25 Milliarden Dollar, so viel produzieren die US-Bürger an einem einzigen Vormittag. El Salvador ist auch ein eher armes Land. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 3300 Dollar im Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland sind es umgerechnet 44.500 Dollar.

Schon in den vergangenen Jahren kam El Salvador ohne eigene Landeswährung aus. Nach einer schweren Krise wird seit 2001 der US-Dollar als Zahlungsmittel genutzt, der El Salvador Colón spielt kaum noch eine Rolle. Damit hat sich das Land an die Geldpolitik der Vereinigten Staaten gebunden, ohne Einfluss auf Geldmenge oder Zinsen. Ein Bankkonto ist in Teilen der Bevölkerung unüblich, die meisten verfügen jedoch über ein Smartphone.

Auf eine Initiative des salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele, Jahrgang 1981, hat das Parlament vor einem halben Jahr die Einführung von Bitcoin beschlossen. Dieses Gesetz ist nun am 7. September in Kraft getreten und verpflichtet Händler dazu, die Kryptowährung zu akzeptieren, wenn die technischen Möglichkeiten dafür gegeben sind. Außerdem können die Bürger des Landes ihre Steuern – bisher weltweit einmalig – in Bitcoin begleichen. Währungshüter, Investoren und Politiker beobachten das Experiment mit Argusaugen.

Bukele warb mit dem Argument für die Einführung der Kryptowährung, sie würde Hunderttausenden Menschen ohne Bankverbindung Zugang zu Finanzdienstleistungen verschaffen. Außerdem würden salvadorianische Familien so viel Geld sparen. Da viele aus den USA und anderen Ländern Geld in die alte Heimat überweisen, fallen nach Regierungsangaben 400 Millionen Dollar Überweisungsgebühren jährlich an, die den Menschen an Wohlstand verloren gehen.

Allerdings sind nicht alle Salvadorianer mit dem Vorstoß ihres Technologie-begeisterten Präsidenten einverstanden. Vor der Bitcoin-Einführung war es bereits zu Protesten im Land gekommen. Manche Einwohner fühlen sich unwohl bei der Vorstellung, dass ihre Ersparnisse in einer Währung deponiert sind, deren Wert historisch stark schwankt.

Langfristig ist der Wert des 2009 erfundenen Bitcoin stark gestiegen, allerdings unter enormen Schwankungen. Allein dieses Jahr liegt die Spannbreite zwischen 27.000 Dollar und knapp 65.000 Dollar. Wer seine Steuern begleichen will, läuft also Gefahr, zum Stichtag einen ungünstigen Kurs zu erwischen. Dazu kommt für die Bürger die Herausforderung, mit mindestens zwei Währungen zu hantieren, von denen eine extrem volatil ist. Ein Modell für Deutschland sehen daher die wenigsten.

„In Ländern, in denen die Menschen keinen Zugang zu einem entwickelten Finanzsystem haben, wirkt das Vordringen des Bitcoins besonders förderlich“, sagt Michael Gebert, Chairman der European Blockchain Association. In Deutschland hätten wir vertrauenswürdige Institutionen und einen funktionierenden Staat. „Ein dezentrales System bringt daher keine wesentlichen Vorteile.“ Sie können elementare Finanzdienstleistungen wie Sparen, Überweisungen oder Kreditaufnahme nicht oder nur erschwert nutzen. Nach dem Prinzip des Gemeinwohls kann durch den Bitcoin ein Geldsystem gelten, welches nicht der Gefahr einer willkürlichen Inflationierung ausgesetzt ist.

Auch rechtlich dürfte ein ähnliches Manöver wie in El Salvador hierzulande schwierig oder nahezu unmöglich sein.

„Die Geldpolitik ist inzwischen in europäisches Recht eingebunden, sodass dies nur durch eine Änderung der Europäischen Verträge möglich ist.“

Das sagt der FDP-Politiker und Finanzexperte Frank Schäffler. Allerdings weist Schäffler darauf hin, dass Bitcoin hierzulande bereits zum Einkaufen und Bezahlen von Dienstleistungen genutzt werden kann. „Kryptowährungen sind bereits Zahlungsmittel in Deutschland. Ob sie auch gesetzliche Zahlungsmittel mit einem Annahmezwang sein werden, wird die Zukunft zeigen“, sagt Schäffler.

Außerdem würde eine Parallelwährung Bitcoin den Handlungsspielraum von Politik und Zentralbank einschränken, da die Bürger dann aus dem Euro in alternatives Geld wechseln könnten. Der Widerstand der Währungshüter dürfte also groß sein:

„Die Europäische Zentralbank wird sich mit Händen und Füßen dagegen wehren, da dies ihre Politik des billigen Geldes untergraben würde.“

Allerdings könnte der Staat Bitcoin und andere Kryptowährungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben zulassen, regt der Politiker an, der als Euro-Rebell bekannt wurde.

Die Investoren überzeugte der erste Tag des gesetzlichen Zahlungsmittels Bitcoin nicht vollends. Nachdem der Kurs der Kryptowährung an den Tagen zuvor gestiegen war, stürzten die Notierungen am Dienstag ab. Am späten Nachmittag wurde ein Bitcoin nur noch für 46.000 Dollar gehandelt. Am Vortag waren es noch 50.000 Dollar gewesen. Auch klassische Finanzinstitutionen sind skeptisch. Nach der Verabschiedung des Bitcoin-Gesetzes stufte die Rating-Agentur Moody’s die Kreditwürdigkeit El Salvadors herab.

BANSBACH kommentiert

Auch wenn das Thema virtuelle Währungen immer mehr an Brisanz gewinnt, sind diese für die meisten Menschen kaum greifbar und spielen in der eigenen (Finanz)Welt selten eine Rolle. Am 3. Januar 2009 wurde mit dem Bitcoin die erste Kryptowährung entwickelt. Ein Problem bei der Einführung von Bitcoin als Währung war die anfängliche Verteilung der Geldeinheiten. Moderne staatliche und private Währungen sind – im Gegensatz zu Bitcoin – durch ein Zahlungsversprechen der ausgebenden Stelle (z.B. Deutsche Bundesbank / EZB) gedeckt. Da Bitcoin als neues Zahlungsmittel anfangs kein Vertrauen genoss und der Rücktausch von keiner Stelle garantiert wird, waren Bitcoins anfänglich praktisch wertlos. Auch eine Nutzbarkeit war aufgrund des fehlenden Angebots an Waren gegen Bezahlung in Bitcoins zunächst nicht gegeben. Mitte des Jahres 2016 war der Wert eines Bitcoins noch bei 450 US-Dollar, im Oktober 2021 wurde das bisherige Allzeithoch von über 66.800,00 US-Dollar erreicht.

Die Thematik ist mittlerweile auch in der Welt der Finanzbehörden angekommen. Bereits zweimal mussten sich Finanzgerichte mit der Frage auseinandersetzen, ob Gewinne aus dem An- und Verlauf von Kryptowährungen der deutschen Besteuerung unterliegen. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg kommt mit Beschluss vom 20. Juni 2019 – 13 V 13100/19 zu dem Ergebnis, dass es sich bei Kryptowährungen zweifelsfrei (und zwar nicht nur bei Bitcoin, sondern bei allen Kryptowährungen) um ein „anderes Wirtschaftsgut“ i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG handelt und eine Besteuerungsrecht daher frei von Zweifeln gegeben ist.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg (Urteil v. 02. März 2018 – 5 K 2508/17) stellt die Frage der Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften in den Raum unter Verweis auf die Urteile des BVerfG vom 09. März 2004 – 2 BvL 17/02, BStBl 2005 II, das für die Jahre 1997 und 1998 wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits bezüglich der Spekulationsgewinne aus Wertpapieren/Aktien insoweit die Nichtigkeit von § 23 EStG feststellte.

Die Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass Einkünfte, welche aus Kryptowährungen im Privatvermögen erzielt werden, insbesondere der Besteuerung als Einkünfte aus Leistungen i S.d. § 22 Nummer 3 Einkommensteuergesetz (EStG) oder als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG unterliegen (BT-Drucksache 19/28573). Seit Juni 2021 ist der Entwurf eines BMF-Schreibens zur Besteuerung von Kryptowährungen veröffentlicht. Auf 24 Seiten werden Fachbegriffe erläutert und Prozesse sowie deren Besteuerung dargestellt.

Letztlich verbleiben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung, die erst in den nächsten Jahren durch das BVerfG geklärt werden. Wenn Sie in diesem Themenkomplex unterwegs sind, sprechen Sie uns bitte an, z.B. bezüglich der erforderlichen Dokumentation der An- und Verkäufe.

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