Mehr steuerpolitische Umverteilung führt zu unsozialen Nebenwirkungen

Mit einem Kommentar von

Olaf Gläser

Steuerberater

Mehr steuerpolitische Umverteilung führt zu unsozialen Nebenwirkungen

Geht es im Wahlkampf um Steuerpolitik, dann steht meist die Frage der Umverteilung im Namen der sozialen Gerechtigkeit im Vordergrund. Aus einer völlig anderen Perspektive haben Forscher des Ifo-Instituts jetzt die Folgen unterschiedlicher Steuerreformen untersucht.

Je nachdem, ob die Steuerlast für Unternehmen sinkt, der Spitzensteuersatz steigt oder die Umsatzsteuer angehoben wird, ergeben sich weitreichende Folgen für Löhne, Beschäftigung, Investitionen und die gesamte Wirtschaftsentwicklung. Die Kernbotschaft der Studie mit dem Titel „Wie beeinflussen Steuerentlastungen die wirtschaftliche Entwicklung und das Steueraufkommen?“ wird mancher Umverteilungsanhänger nicht gerne hören: Ausgerechnet die steuerlichen Vergünstigungen für Unternehmen sind demnach nicht nur besonders wachstumsfördernd, sondern haben zugleich die stärksten positiven Effekte auf Löhne und Beschäftigung.

Auch würden die Steuereinnahmen langfristig auf die Ausgangshöhe zurückkehren. „Für eine Übergangszeit gibt es zwar Steuerausfälle. Die können aber als Investitionen des Staates angesehen werden, um künftig höhere Löhne, mehr Beschäftigung und ein höheres Konsumniveau zu ermöglichen“, sagt Ifo-Präsident Clemens Fuest, der gemeinsam mit Kollegen die quantitative Analyse durchgeführt hat. Unternehmen in Deutschland unterliegen im internationalen Vergleich mit rund 30 Prozent (Körperschaftsteuer plus Gewerbesteuer) einer hohen Steuersteuerbelastung. Unter den großen Industrieländern liegt lediglich Japan noch knapp darüber.

Im Wahlprogramm der FDP wird eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Laut Ifo-Berechnungen hätte eine Verringerung des Körperschaftssteuersatzes von jetzt 15 auf zehn Prozent im ersten Jahr Mindereinnahmen von fast 14 Milliarden Euro zur Folge, die sich aber im Zeitverlauf laut Ifo-Berechnungen halbieren. Während SPD, Grüne, AfD und Linke keine Änderung der Unternehmensteuer planen, hält die Union einen solchen Schritt immerhin „perspektivisch“ für geboten.

Als zweite Maßnahme haben die Ifo-Forscher die Auswirkungen gezielter Investitionsanreize analysiert. Konkret geht es dabei um die Verkürzung des Zeitraums der steuerlichen Abschreibungen für Investitionen von zehn auf vier Jahre. Union und FDP werden zwar nicht so konkret, wollen aber ebenso wie die Grünen über großzügigere Abschreibungsregeln die Wirtschaft unterstützen. Bei SPD, Linken oder AfD findet sich nichts dazu in den Wahlprogrammen. Die vom Ifo-Institut vorgeschlagene deutliche Verbesserung der Abschreibung kommt den Fiskus kurzfristig teuer. Doch die im ersten Jahr zu erwartenden Steuerverluste von 17 Milliarden Euro kehren sich in kurzer Zeit zu Mehreinnahmen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro um.

„Durch die Beschleunigung der steuerlichen Abschreibungen kommt es bei gegebenem Investitionsniveau lediglich zu einer zeitlichen Verlagerung von Steuerzahlungen“

heißt es in der Studie. Am Ende schlagen somit nur die wachstumssteigernden Effekte einer solchen Entlastung zu Buche. Diese sind noch größer als bei der verringerten Körperschaftsteuer, da alle Unternehmen unabhängig von der Rechtsform profitieren. Eine Kombination aus beiden Reformen würde kurzfristig das Steueraufkommen um 30 Milliarden Euro verringern. Die Wirtschaftsleistung und der Konsum privater Haushalte wären aber nach einer Anpassungszeit um satte drei Prozent höher als ohne Reform. Die Beschäftigung würde um 1,4 Prozent steigen und die Löhne um etwa vier Prozent.

Ganz anders wären die Auswirkungen, wenn der Staat versuchte, über eine Anhebung des Spitzensteuersatzes oder über eine höhere Umsatzsteuer Mehreinnahmen zu generieren. Dabei kommt der Ansatz der Verfechter einer stärkeren Umverteilung über die Einkommensteuer in der Analyse der Finanzexperten besonders schlecht weg. Wenn Steuererhöhungen das Ziel der Politik wären, würde eine höhere Umsatzsteuer Beschäftigung und Wachstum weniger belasten als eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, mahnen die Wissenschaftler. Bei einer Erhöhung des Einkommensteuersatzes um drei Prozentpunkte ab einem Einkommen von 100.000 Euro würde der Staat im ersten Jahr 4,9 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen erzielen.

Langfristig jedoch sinken die zusätzlichen Steuereinnahmen auf 3,4 Milliarden Euro. Das Wachstum erhielte durch die Steuerreform einen Dämpfer: Die Wirtschaftsleistung würde um 0,4 Prozent sinken. Die Grünen planen eine solche Steuererhöhung. Die Linken wollen die Steuerzahler sogar schon ab einem Einkommen von 65.000 Euro stärker zur Kasse bitten und den Spitzensteuersatz zudem noch kräftiger anheben. Was den linken Parteien als Maßnahme für mehr Verteilungsgerechtigkeit gilt, hat laut Studie höchst unerwünschte Nebenwirkungen, zumal als Steuerzahler auch die Personengesellschaften davon betroffen wären.

Ein höherer Spitzensteuersatz führt zu weniger Beschäftigung, einer geringeren Lohnsumme, einem deutlich verringerten privaten Konsum und Wachstumseinbußen von 0,4 Prozent. Für die Ökonomen wäre deshalb eine Anhebung der Umsatzsteuer um einen Prozentpunkt das kleinere Übel. Dies würde die Steuereinnahmen mit 7,4 bis 7,8 Milliarden Euro doppelt so stark erhöhen wie die Anhebung des Spitzensteuersatzes, das Bruttoinlandsprodukt aber lediglich um 0,2 Prozent senken. Die Ifo-Berechnungen machen deutlich, warum die Steuerpolitik immer auch die ökonomischen Langfristfolgen berücksichtigen sollte und nicht nur die kurzfristige Verteilungswirkung.

BANSBACH kommentiert

Wir haben lange überlegt, ob wir diesen – interessanten, wie wir finden – Artikel aus der „Welt“ aufgreifen. Die Bundestagswahl ist gerade vorüber und die Parteien haben ihre Position zur künftigen Steuerpolitik in den Parteiprogrammen dargestellt. Daher kann dieser Artikel durchaus einer gewissen politischen Ausrichtung zugeordnet werden.

Je nach ideologischer Ausrichtung tendieren die einzelnen Parteien entweder zu einer Einkommens- und Vermögensumverteilung oder fokussieren sich auf eine Steuerpolitik, die die Wirtschaftskraft unseres Landes (vermutlich) stärkt. Der Artikel ist sicherlich eher Letzterem zuzuordnen.

Das ifo Institut (ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.)  und das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung e.V.) zählen zu den Schwergewichten der deutschen Ökonomenszene. Die politische Rollenverteilung war schon in früheren Jahrzehnten klar: Das Ifo-Institut argumentierte meist rechts der Mitte, das DIW links davon, gewerkschaftsnah. So ist es nicht unerwartet, dass das Ifo-Institut in dem Artikel eine Position einnimmt, die eher in den Programmen der FDP und der CDU/CSU wiederzufinden sind. Wir haben allerdings in den Publikationen des DIW recherchiert und eine Veröffentlichung zu diesem Thema vom 14. Mai 2020 – also mitten in der Corona-Pandemie und als Reaktion auf die aktuelle Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung – gefunden. Hier nimmt das DIW Stellung und kommentiert wie folgt: „…Steuererhöhungen und Kürzungen von Sozialausgaben wären ein fataler Masochismus. Stattdessen müssen Wirtschaft und VerbraucherInnen durch Steuersenkungen entlastet werden. Bei den Sozialversicherungen sollte der Staat die Lücken durch Zuschüsse und nicht durch Beitragserhöhungen füllen. Zudem sollte die Bundesregierung möglichst bald ein Konjunkturprogramm beschließen, das die wirtschaftliche Erholung unterstützt, statt Maßnahmen zu ergreifen, die diese Erholung abwürgen…“. Dass hier dann als Folge die Einhaltung der Schuldenbremse kritisiert wird, ist logische Konsequenz vorstehender Ausführungen, worin sich dann die Ansichten der Institute doch wieder unterscheiden.

Es bleibt abzuwarten, ob eine Jamaika-Koalition oder eine Ampel-Koalition letztlich zum Tragen kommt. Sicher ist, dass jede Variante starke Handschriften der Parteien Die Grünen und der FDP tragen werden, die letztlich die Königsmacher sind und die Wahl zwischen einer Regierung mit SPD oder auch CDU/CSU haben.

Welche Koalition auch immer unser Land steuern wird: wir können davon ausgehen, dass im kommenden Jahr insbesondere auch steuerliche Themen im Fokus stehen und eine Vielzahl von gesetzlichen Neuregelungen verabschiedet werden. Wir bleiben für Sie am Ball und werden Sie frühzeitig über geplante Gesetzesvorhaben informieren.

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