Fehlende Lehrlinge könnten zu Mangelwirtschaft führen

Mit einem Kommentar von

Arne Tiemann

Wirtschaftsprüfer / Steuerberater

Die Entwicklung zeichnet sich seit Jahren ab – und erreicht nun einen neuen Tiefpunkt. Deutschlands Ausbildungskrise spitzt sich immer weiter zu.

„Mehr als vier von zehn IHK-Ausbildungsbetrieben konnten im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen – ein Allzeithoch. Und von diesen Unternehmen hat mehr als jedes dritte keine einzige Bewerbung erhalten“.

Das sagt Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Geradezu „alarmierend“ seien die Ergebnisse einer Ausbildungsumfrage unter bundesweit rund 15.000 Betrieben.

Hatte der Anteil der Betriebe, die nicht für alle offenen Stellen Azubis finden konnten, im Jahr 2018 noch bei 32 Prozent gelegen, betrug er 2021 bereits 42 Prozent. Besonders in drei Branchen ist der Mangel gewaltig. So finden mittlerweile 50 Prozent aller Ausbildungsbetriebe in der Industrie (ohne Bau) nicht genügend Azubis. Das entspricht einem Zuwachs von 17 Prozentpunkten. Noch stärker betroffen sind Transport und Logistik mit einem Anstieg von 40 auf 54 Prozent sowie das Gastgewerbe mit einem Zuwachs von 54 auf 67 Prozent.

Die deutsche Corona-Politik der vergangenen Jahre hat die Krise zusätzlich verstärkt. „Dass sich die Schere zwischen Ausbildungsangeboten und nachfragenden Jugendlichen noch weiter geöffnet hat, ist nicht zuletzt auf die coronabedingten Einschränkungen zurückzuführen“, sagt Dercks. Denn die Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsplatzsuche seien erheblich erschwert worden. „Die Berufsberater der Arbeitsagenturen kamen nicht mehr in die Schulen, Ausbildungsmessen und Betriebspraktika mussten komplett abgesagt werden. Das hat bei vielen Jugendlichen die Orientierungslosigkeit verstärkt“, sagt Dercks.

In einigen Branchen ist der Mangel verkraftbarer als in anderen. So bedrohen fehlende Fachkräfte die Energie- und Verkehrswende. Die ambitionierten Ziele, die sich die Ampel gesteckt hat, können kaum erreicht werden. Davor warnt beispielsweise Friedrich Hubert Esser, Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB).

„Die großen Transformationsziele, wie sie im Koalitionsvertrag stehen – sei es der Bau von mehr Wohnungen oder die Umstellung auf erneuerbare Energien – drohen zu scheitern“,

sagte er kürzlich im Interview mit WELT. Esser spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „Fachkräfte-Katastrophe“.

Zwar wird an möglichen Lösungen des Problems gearbeitet. So läuft derzeit der „Sommer der Berufsausbildung“, der Schüler in die Betriebe bringen soll. In einzelnen Fällen mag das helfen. Eine weitere Möglichkeit, unbesetzte Ausbildungsstellen künftig zu füllen, bietet die Plattform Praktikumswoche. Vom „Speeddating für Ausbildungsberufe“ spricht Mitgründer Malte Bürger. Schüler können hierbei an fünf Tagen in den Sommerferien in jeweils fünf unterschiedlichen Unternehmen hospitieren, um sich beruflich zu orientieren. Das sei besonders für 15- bis 16-Jährige wichtig, die nach der Schule häufig nicht wüssten, welche Optionen sie haben.

Davon würden auch Unternehmen profitieren, meint Bürger.

„Sie tun gut daran, die Fachkräfte von morgen jetzt an sich zu binden und nicht erst, wenn die Babyboomer schon in Rente sind“,

sagt der Gründer aus Fulda. Doch die Erfahrung zeige, dass die Stellenbesetzung in einigen Fällen auch an den finanziellen Erwartungen scheitere. „Es ist schon eine Hürde, eine zwei- bis dreijährige Ausbildung anzufangen, in der man weiß, im Anschluss nicht viel zu verdienen“, sagt Bürger.

Die Misere am Ausbildungsmarkt sorgt dafür, dass in den Mangelberufen noch weniger Nachwuchs landet. Dabei werden jetzt schon Negativrekorde erreicht. So ist die Zahl der offenen Stellen mit annähernd zwei Millionen hoch wie nie. Gleichzeitig klettern die Zahlen beim Fachkräftemangel auf ein Allzeithoch. 49,7 Prozent aller Betriebe sind laut Ifo-Institut davon betroffen. Die Folge: „Immer mehr Unternehmen müssen ihre Geschäfte einschränken, weil sie einfach nicht genug Personal finden“, sagt Ifo-Arbeitsmarktexperte Stefan Sauer.

Damit unter den Mangelbedingungen die Betriebe vernünftig wirtschaften und im besten Fall auch wachsen und expandieren können, sind sie umso mehr auf die Behördenlandschaft angewiesen. Zwar ist es der Plan der Ampel, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und digitaler zu machen. Bislang ist davon jedoch wenig zu spüren. Und die Ausgangslage ist denkbar schlecht. Denn der Azubi-Mangel befeuert auch den Mangel in den Amtsstuben. So fehlen laut Deutschem Beamtenbund bereits jetzt 360.000 Kräfte. Der demografische Wandel tut sein Übriges: In den kommenden Jahren treten viele „Babyboomer“ in den Ruhestand ein – die Lücke droht also noch größer zu werden.

Abzuwarten bleibt, was die neuen Zahlen für die Ausbildungsgarantie bedeuten, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) durchsetzen wollen. Finanziert werden soll diese über einen Fonds, in den alle Unternehmen einzahlen. Betriebe, die ausbilden, bekämen als Anreiz Fördergelder aus dem Topf. In großen Teilen der Wirtschaft stößt das Vorhaben allerdings auf Ablehnung.

BANSBACH kommentiert

Im letzten Absatz wird der Bundesminister Heil zitiert unter Hinweis auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, einen „Ausbildungsfonds“ zu errichten und eine Ausbildungsgarantie zu gewähren. Dies ist allerdings umstritten. In einer Stellungnahme hierzu führt der Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger aus, dass es einen Bewerbermangel und keinen Ausbildungsplatzmangel gäbe.

Darüber hinaus ist eine umlagefinanzierte Ausbildung im Bereich der Pflege bereits umgesetzt. Das Pflegeberufegesetz regelt in den §§ 26 ff. die bundeseinheitliche Refinanzierung der Ausbildungskosten über länderspezifische Ausbildungsfonds. Alle Pflegeeinrichtungen zahlen in diese Ausbildungsfonds ein und ausbildende Unternehmen erhalten daraus – von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich – Unterstützungen.

Viele unserer Mandanten berichten, dass sie angebotene Ausbildungsplätze nicht besetzen können und zum Teil trotz erheblicher Anstrengungen keine oder kaum Bewerbungen eingehen. Wir stellen diese Entwicklung auch in den steuerberatenden Berufen fest. Hier liegt es nach unserer Erfahrung auch häufig daran, dass Schulabgänger keine Vorstellung über die vielfältigen und interessanten Aufgaben in unserem Berufsstand haben. Kennen Sie in Ihrem Umfeld junge Menschen, die sich für ihr späteres Berufsleben orientieren möchten, bieten wir gern ein unverbindliches Informationsgespräch über Inhalte der Ausbildung und einen Ausblick auf das spätere Berufsleben. Wir freuen uns auf viele spannende Gespräche!

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