Geschäfte dürfen nun ihre Miete mindern

Mit einem Kommentar von

Dr. Sebastian Heß

Steuerberater, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

Geschäfte dürfen nun ihre Miete mindern

Gesetz schafft Klarheit darüber, wann Einzelhändler einen Anspruch auf Mietabsenkung haben. Die Immobilienwirtschaft fürchtet Kettenreaktion.

Ab Mittwoch [Stand: 16.12.2020]  ist Deutschland wieder dicht. Geschäfte sind zu, Hotels, Gastronomie und Kultur sind es schon seit Wochen. Viele laufende Kosten müssen die Einrichtungen und Betriebe jedoch weiter zahlen. Einer der größten Kostenposten ist regelmäßig die monatlich zu zahlende Miete. Vor allem in zentralen Lagen haben Vermieter in den vergangenen Jahren immer höhere Preise verlangt, Einzelhändler stehen entsprechend unter Druck.

Jetzt sorgt der Gesetzgeber für Erleichterung – jedenfalls aus Mietersicht. Der Bundestag dürfte noch in dieser Woche eine Regelung beschließen, wonach Gewerbetreibende die Miete mindern dürfen, wenn ihr Geschäft Corona-bedingt vom Staat geschlossen wurde. Eine solche Schließung gilt jetzt als „Störung der Geschäftsgrundlage“ – und damit als Begründung für eine Anwendung des Paragrafen 313 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Eine entsprechende Formulierungsvorlage für das Gesetzgebungsverfahren liegt WELT vor.

Darin heißt es: Das sogenannte Vorrang- und Beschleunigungsgebot „findet auch dann Anwendung, wenn der Mieter die Anpassung der Miete als Einrede gegen die Zahlungsklage des Vermieters erhebt oder andere Anspruchsgrundlagen wie etwa die Mietminderung für die Anpassung der Miete im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie herangezogen werden“. Im Klartext: Gewerbemieter können jetzt die Miete herunterfahren. Um wie viel Prozent und für wie lange ist dann allerdings wieder eine Frage des Einzelfalls.

Tourismus, Gastronomie und Einzelhandel hatten schon seit der ersten Covid-19-Welle eine Klarstellung gefordert. Auch in anderen europäischen Ländern sind Mieter zu Absenkungen berechtigt. In Deutschland ließ eine entsprechende Regel auf sich warten. Das führte zu immer neuen Gerichtsstreitigkeiten. Mitte November etwa verpflichtete das Landgericht Frankfurt ein Bekleidungsgeschäft trotz 54 Prozent Umsatzrückgang zur vollen Mietzahlung, weil das Gesetz nichts anderes zuließ. In Kürze sieht die Rechtslage dann anders aus. Die entsprechenden Änderungen für Miet- und Pachtverhältnisse werden in das Gesetz zur Restschuldbefreiung integriert.

„Aufgrund der Corona-Pandemie haben viele Gewerbebetriebe massive Einnahmeausfälle, während ihre Fixkosten wie Miete oder Pacht weiterlaufen“, sagt Jan-Marco Luczak, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

„Ihnen wollen wir mit dem Gesetz den Rücken stärken und Rechtssicherheit geben.“

Vorrang habe aus seiner Sicht allerdings weiterhin die individuelle Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien. Zudem sei die Regelung so gefasst, dass nur wirtschaftlich schwer betroffene Mieter mindern können. „Mieter, die aufgrund der Pandemie keine oder weniger Umsatzeinbußen haben oder sonst wirtschaftlich gut aufgestellt sind, werden daher in der Regel keinen Anspruch auf Vertragsanpassung haben“, so Luczak. Im Sommer hatte der Sportartikelhersteller Adidas für Aufsehen gesorgt, als das Unternehmen die Miete für mehrere Ladengeschäfte in Deutschland kürzen wollte.

In der Immobilienwirtschaft sieht man das Gesetz kritisch. Nicht nur einzelne private Vermieter könnten durch Mietkürzungen ihrerseits in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, sondern auch größere institutionelle Anleger, wie Fonds oder Pensionskassen, die in den vergangenen Jahren ihre Immobilienportfolios ausgebaut haben. Der Branchenverband ZIA (Zentraler Immobilien Ausschuss) warnt deshalb immer wieder vor einer Zahlungsausfallskette, bei der am Ende sogar Bankkredite notleidend geraten könnten.

Zudem würden sich die Vertragsparteien ohnehin meistens einig. 50 Prozent der ZIA-Mitgliedsunternehmen hätten sich mit ihren Mietern auf Stundungen oder Minderungen geeinigt, in weiteren 40 Prozent sei keine Einigung nötig, weil es sich um Lebensmittelhändler, Baumärkte oder Apotheken handele. „Was jetzt geplant ist, galt auch in Ministerien bis vor Kurzem als ein Eingriff in die Vertragsfreiheit eines Bürgerlichen Gesetzbuches, das über Jahrhunderte pandemieerfahren und bereits ausgleichend ist“, so ZIA-Präsident Andreas Mattner zu WELT.

„Eine Änderung des Paragrafen 313 ist eher ein Sand-in-die-Augen-Streuen oder Sich-aus-der-Verantwortung-Stehlen.“

Der Einzelhandelsverband HDE zweifele die ZIA-Darstellungen zu Vertragseinigungen an. In der Vorlage für das neue Gesetz heißt es zudem, es werde „häufiger berichtet, dass insbesondere Immobilienfonds entsprechenden Nachverhandlungen ablehnend gegenüberstünden.“

Auch Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sieht wenig Bereitschaft der Vermieter, auf Mieter zuzugehen: „Untersuchungen haben gezeigt, dass viele Vermieter sich gerade nicht auf Gespräche mit ihren Gewerbemietern eingelassen haben und es nicht zur Reduzierung der Miete kam“, so Fechner gegenüber WELT. „Die Zahlen des ZIA entsprechen nicht den Befragungen der Verbände. Der HDE hat die Rückmeldung seiner Mitglieder, dass zwei Drittel keine Einigung mit ihren Vermietern erzielen konnten.“ Der Hotel- und Gaststättenverband habe berichtet, dass sogar nur bei 20 Prozent der Verträge die Miete gesenkt worden sei, 40 Prozent der Vermieter hätten gestundet, weitere 40 Prozent „überhaupt kein Entgegenkommen gezeigt“. „Durch die jetzt notwendigen Geschäftsschließungen wird die Zahl der Gewerbemieter mit Zahlungsschwierigkeiten deutlich zunehmen“, sagt Fechner. „Es braucht deshalb die Rechtssicherheit, dass Corona eine Störung der Geschäftsgrundlage ist und eine Reduzierung der Miete verlangt werden kann.“

Die Gefahr, dass sich solvente Unternehmen eine Mietminderung zunutze machen, sieht Fechner nicht: „Missbrauch wird dadurch verhindert, dass nur bei erheblichem und Corona-bedingtem Umsatzrückgang den Gewerbemietern ein Anspruch auf Reduzierung der Miete zusteht, deren Betrieb geschlossen wurde. Wer diese Regeln missbraucht und seine Miete kürzt, obwohl er keine Einbußen hat, dem kann gekündigt werden, und er kann sofort verklagt werden, da die Miete weiterhin fällig ist.“

BANSBACH kommentiert

Spätestens durch die Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen durch den Beschluss der Bundeskanzlerin gemeinsam mit den Regierungschefs der Länder vom 19. Januar 2021 hat die Änderung des Mietrechts an Bedeutung gewonnen.  Nach der gesetzlichen Neuregelung ist bei Corona-bedingten Umsatzeinbußen von einer „Störung der Geschäftsgrundlage“ auszugehen, welche je nach Umständen des konkreten Einzelfalls eine Mietminderung rechtfertigen kann: „Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“ Diese Neuregelung in Art. 240 § 7 EGBGB gilt temporär für den Zeitraum 31. Dezember 2020 bis 30. September 2022.

Auch wenn die getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung im Hinblick auf die sinkenden Inzidenzwerte langsam zu greifen scheinen, so stellen uns Wissenschaft und die Politik darauf ein, dass diese Maßnahmen möglicherweise noch bis weit ins Frühjahr verlängert werden könnten.

Vor diesem Hintergrund dürften in naher Zukunft aufgrund der verordneten Schließungen von Handel und Gastronomie deutlich mehr Mieter um Reduzierung der Mieten nachfragen als in der Vergangenheit. Hierbei ergeben sich auch steuerliche Aspekte. Immobilienbesitzer, die ihre Immobilien im steuerlichen Privatbesitz halten, erzielen Mieteinnahmen nach dem sog. Zuflussprinzip: Mieteinnahmen führen zu steuerpflichtigen Einkünften in dem Moment, in dem sie in den Verfügungsbereich gelangen z.B. als Gutschrift auf der Bank. Befinden sich vermietete Immobilien im betrieblichen Vermögen, so hängt die steuerliche Erfassung von der Art der Gewinnermittlung ab. Bei der sog. Einnahmen-/Ausgabenrechnung – auch „4 III–Rechnung“ genannt – gelten die gleichen Regeln wie bei privatem Immobilienbesitz. Bilanziert das Unternehmen, so ist die Einnahme aber bereits der Besteuerung zu unterwerfen, sobald der Anspruch besteht, also unabhängig vom tatsächlichen Zufluss. Eine vergleichbare Regelung enthält auch das Umsatzsteuergesetz, wenn auch mit anderer Bezeichnung. Wer seine Umsatzsteuer ausnahmsweise nach vereinnahmten Umsätzen ermittelt (vergleichbar der 4 III–Rechnung, s.o.), der hat (bei umsatzsteuerpflichtiger Vermietung) die Umsatzsteuer grundsätzlich für den Voranmeldungszeitraum (Monat bzw. Quartal) abzuführen, in dem die Mieten tatsächlich geflossen sind. Immobilienbesitzer, die regulär nach vereinbarten Entgelten die Steuer ermitteln, führen die Umsatzsteuer bereits ab für den Voranmeldungszeitraum, in denen die Vermietungsleistung erbracht wurde, unabhängig davon, wann der Mieter seiner Zahlungsverpflichtung nachgekommen ist.

Kommt ein gewerblicher Mieter mit der Mietzahlung in Verzug, so kann dies daher zu einer doppelten Liquiditätsbelastung führen: Einerseits fehlt der Mieteingang auf dem Konto, andererseits muss gleichwohl die Umsatzsteuer für die geschuldete, aber nicht gezahlte Miete an das Finanzamt abgeführt werden.

Sollten Sie von Mietkürzungen oder Mietrückständen betroffen sein, sprechen Sie uns gerne an. Wir prüfen, ob und ggfs. welche Maßnahmen Ihre steuerlichen Belastungen minimieren können und beraten Sie darüber, welche steuerlichen Folgen die möglichen Regelungen mit Ihren Mietern zur Folge haben.

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