Teures Erbe

Mit einem Kommentar von

Gesa Jungblut

Steuerberaterin

Teures Erbe

Unternehmensnachfolgern drohen hohe Steuernachzahlungen. Der Grund: die deutsche Steuergesetzgebung. Gerade in der Krise wird sie für vererbte Firmen zur Gefahr.

Corona allein ist für viele deutsche Unternehmer ein schwerer Schlag. Melanie Junglas-Mummert etwa leitet mit ihrem Zwillingsbruder Dennis Junglas die Zeitarbeitsfirma Armon GmbH mit Sitz in Koblenz – und kämpft mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Im vergangenen Jahr sind ihrem Unternehmen 35 Prozent des Umsatzes weggebrochen, die Zahl der Beschäftigten schrumpfte um ein Viertel. Zu allem Überfluss, sagt die 41-Jährige, „droht uns auch noch eine happige Erbschaftsteuer-Nachzahlung“.

Vor drei Jahren war ihr Vater unerwartet verstorben. Er hatte das Unternehmen 1984 gegründet, die Kinder traten seine Nachfolge an. Wenn wie in solch einem Fall Betriebsvermögen vererbt wird, greift – anders als bei privatem Vermögen – eine großzügige Verschonungsregel. Allerdings nur unter der Bedingung, dass der Betrieb mindestens fünf Jahre lang fortgeführt wird und die Lohnsumme in dieser Frist weitgehend stabil bleibt.

Der Gesetzgeber will mit dieser Sonderregelung verhindern, dass Firmenerben Teile des Betriebs veräußern müssen, um die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zahlen zu können. Denn eine möglichst reibungslose Übergabe der Führung ist auch im Sinne der Belegschaft. Doch ausgerechnet jetzt, in Zeiten einer weltweiten Krise, wird die Verschonungsregel für manchen Unternehmensnachfolger zu einer zusätzlichen Gefahr. Denn die fällige Erbschaftsteuer-Nachzahlung droht paradoxerweise umso üppiger auszufallen, je stärker der Betrieb von der Krise gebeutelt wird.

Durch den Lockdown und die monatelangen Beschränkungen sind die Armon GmbH und viele andere Betriebe gezwungen, Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken oder sogar zu entlassen. Eine Folge: Die Lohnsumme schrumpft. Und je stärker sie unter dem ursprünglichen Niveau liegt, desto größer wird nachträglich der Unternehmensanteil, der dann erbschaftsteuerpflichtig wird. Das Finanzamt besteht selbst im Fall einer Insolvenz auf seiner Forderung.

Ökonomen und Wirtschaftsverbände sehen darin ein großes Problem. Der Wirtschaftsweise Lars Feld etwa warnt, dass es in einer Krise wie dieser, in der die Gewerbefreiheit massiv eingeschränkt sei, schwierig werde, die erbschaftsteuerlichen Bedingungen für die gewährte Verschonung wie geplant einzuhalten. Feld, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, fordert eine pragmatische Lösung, um der Ausnahmesituation Rechnung zu tragen. „Dafür braucht es eine Gesetzesänderung. Das kann man nicht dem Ermessen der Finanzämter überlassen“, sagt der Top-Ökonom.

Die Daten lassen Schlimmes befürchten

Wie viele Unternehmensnachfolger künftig eine Erbschaftsteuer-Nachzahlung fürchten müssen, kann derzeit noch niemand sagen. Doch 2,8 Millionen Firmen und damit rund 86 Prozent der deutschen Unternehmen sind eigentümergeführte Familienunternehmen. Dem Bundesfinanzministerium zufolge sind zwischen 2014 bis 2018 etwa fünf Prozent aller mittelständischen Unternehmen im Zuge einer Nachfolge übertragen worden. Das Potenzial für Erbschaftsteuer-Nachzahlungen dürfte somit beträchtlich sein.

Der Präsident des Verbands Die Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf. „Der Gesetzgeber ist in der Bringschuld“, sagt der Mittelständler. Ihm sei absolut unverständlich, warum bisher noch nichts passiert ist. Viele Unternehmen stünden angesichts dünner Auftragsbücher, Kurzarbeit und Schulden mit dem Rücken zur Wand. „Familienunternehmen, die sich in der Übergabe befinden und gleichzeitig mit den von der Politik auferlegten wirtschaftlichen Corona-Einschränkungen um das Überleben ihrer Firma kämpfen, darf nicht zusätzlich und ganz unverschuldet eine Pflicht zur Erbschaftsteuernachzahlung treffen“, sagt Eben-Worlée.

Wirtschaftsflügel der Union fordert Umdenken

Im Finanzministerium verweist man darauf, dass es einen Puffer in der Verschonungsregelung gibt. Wer die 85-prozentige Regelverschonung wählt, muss demnach in den fünf Folgejahren insgesamt 400 Prozent der ursprünglichen Lohnsumme erreichen. Und wer die 100-Prozent-Verschonung gewählt hat, muss in sieben Jahren 700 Prozent der Lohnsumme halten. In diesem Fall gibt es keinen Puffer.

Angesichts des tiefen Konjunkturabsturzes im vergangenen Jahr und der anhaltend schlechten Wirtschaftslage in vielen Branchen stellt sich die Frage, ob und wem der Puffer etwas nutzt. Der unerwartete Konjunktureinbruch hat die Mittelfrist-Pläne der Unternehmen zunichte gemacht. Viele Firmen werden lange brauchen, wieder zu alter Stärke zurückzufinden.

Armon-Geschäftsführerin Junglas-Mummert sagt: „Unser Unternehmen ist heute schätzungsweise nur noch halb so viel wert wie zur Zeit der Übernahme.“ Für eine mögliche Erbschaftsteuer-Nachzahlung gelte nun, dass die Nachfolgegeneration Steuern auf einen Unternehmenswert zahlen müsste, „den es nun nicht mehr gibt“. Und dies „in Zeiten, in denen das Unternehmen ganz andere Herausforderungen zu meistern hat“.

Ihre Argumente stoßen beim Wirtschaftsflügel der Union auf Verständnis. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, spricht von einer „besorgniserregenden Situation“. Weil die Vermögen von Familienunternehmern fast komplett im Betrieb gebunden seien, müsse eine anfallende Erbschaftsteuer auch meist aus dem Betriebsvermögen finanziert werden, sagt Steiger. Damit würde dem Unternehmen massiv Eigenkapital entzogen oder es müsse über Kredite finanziert werden. „Beides hat nicht nur Folgen für die Bonität des Unternehmens, sondern auch auf seine Fähigkeit in Arbeitsplätze, Anlagen und Produkte zu investieren“, warnt der Chef der parteinahen Wirtschaftsorganisation. „Hier muss die Politik zügig Vorkehrungen treffen, damit die Corona-Pandemie nicht zusätzliche negative Fernwirkungen auslöst.“

Problemfall Insolvenz

Unionsfraktions-Vize Carsten Linnemann räumt vor allem in Bezug auf die Kurzarbeit Handlungsbedarf ein. „Die Regelungen des Erbschaftsteuerrechts berücksichtigen Kurzarbeit nicht ausreichend.“ Dass Arbeitgeber ihr Unternehmen mit Kurzarbeit über die Krise zu retten versuchten, sei von der Politik ausdrücklich gewünscht, sagt der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung. Dann dürfe es den Familienunternehmern aber bei der Erbschaftsteuer nicht zum Nachteil führen. „Deshalb sollten wir das Erbschaftsteuerrecht so anpassen, dass die Kurzarbeit in den beiden Krisenjahren wie eine Fortsetzung der Lohnzahlungen gewertet wird“, schlägt Linnemann vor.

Die Vorschläge der Familienunternehmer gehen allerdings noch weiter. Eben-Worlée fordert, bei der Anwendung der Verschonungsregelung im Erbschaftsteuergesetz für die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 die Lohnsummenregelung beim Generationenübergang nicht greifen zu lassen. Für viele Betriebe sei dies überlebenswichtig. Der Wirtschaftsweise Lars Feld plädiert für den gleichen Weg und spricht sich für eine entsprechende Fristverlängerung bei den Verschonungsregeln aus.

Die Erbschaftsteuer bedroht nicht nur die durch Erbschaft oder Schenkung übertragenen Unternehmen, die ums Überleben ringen. Auch Betriebe, die diesen Kampf schon verloren haben, lässt der Fiskus nicht ungeschoren. Denn wer die Verschonungsregel in Anspruch genommen hat, ist verpflichtet, den Betrieb mindestens fünf Jahre fortzuführen. Bei einer 100-prozentigen Verschonung gilt sogar eine Frist von sieben Jahren. Schon die gerichtliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb dieses Zeitraums ist demnach ein Verstoß gegen die Verschonungsregel und hat zur Folge, dass die Erbschaftsteuer auf das einmal übertragene Unternehmen erhoben wird. Und dass, obwohl der insolvente Betrieb im Zweifel gar nichts mehr wert ist.

„Auch im Insolvenzfall wird die Erbschaftsteuer fällig, weil rückwirkend die Verschonung wegfällt“, sagt Christian Rech vom Deutschen Steuerberaterverband (DStV). Das sei nicht nachvollziehbar. Zumal in solchen Fällen die Steuer dann aus dem Privatvermögen geleistet werden müsse. Kein Unternehmensnachfolger gehe absichtlich und geplant in die Insolvenz. Recht schimpft: „Unternehmerisches Engagement auch noch zu bestrafen, wenn der Betrieb den Bach runtergeht, ist auch moralisch fragwürdig.“

BANSBACH kommentiert

Der Autor beschreibt in dem Artikel, dass steuerliche Wohltaten regelmäßig an Auflagen geknüpft sind. Wenn Betriebsvermögen von der Steuerpflicht verschont werden sollen, dann muss im Gegenzug der Nachfolger den Betrieb in nahezu gleicher Größenordnung weiterführen.

Eine ähnliche Regelung gibt es – um im Erbschaftssteuerrecht zu bleiben – auch im Bereich der geerbten Immobilie. Wird ein vom Erblasser selbstgenutztes Familienheim an Kinder vererbt und bewohnt das Kind die Immobilie umgehend, so ist auch dieses Erbe von der Steuer ausgenommen. Allerdings entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend, wenn der Erbe das Familienheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Erbfall nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzt – es z.B. vermietet oder verkauft. Auch dies ist in den Zeiten der aktuellen Pandemie aus wirtschaftlichen Gründen häufiger der Fall.

Der gleiche Grundsatz findet sich auch im Bereich der Einkommensbesteuerung. Der Gesetzgeber ermöglicht, dass einzelne Wirtschaftsgüter von einem Gesellschafter auf einen anderen Mitgesellschafter oder auch die Gesellschaft übertragen werden können, ohne hierbei stille Reserven aufzudecken (d.h. ohne den Unterschied zwischen dem Buchwert und dem tatsächlichen Wert zu versteuern). Hier hat der Gesetzgeber eine Sperrfrist von 3 Jahren eingeführt. Wird das Wirtschaftsgut innerhalb dieses Zeitraums in das Privatvermögen überführt oder veräußert, so wird rückwirkend die ursprüngliche Übertragung besteuert.

Andererseits gibt es Regelungen, die es ermöglichen, steuerliche Folgen wieder zurückzudrehen. So regelt der §16 des Grunderwerbsteuergesetzes, dass der Rückerwerb einer Immobilie innerhalb von zwei Jahren die beim ursprünglichen Verkauf festgesetzte Grunderwerbsteuer aufgehoben werden kann.

Sie sehen, dass Termine und Fristen in vielfältiger Form Steuerbelastungen auslösen, aber auch auflösen können. Wenn Sie Vermögensverschiebungen oder Verkäufe planen, prüfen wir gern, ob und ggf. welche steuerlichen Konsequenzen sich im Einzelfall für Sie ergeben.

 

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie gerne auf unsere virtuelle Veranstaltungsreihe zum Thema „Vorsorge, Nachfolgeplanung und vorweggenommene Erbfolge“ hinweisen. Zum Auftakt werden wir am 25. Februar 2021 (Beginn 16 Uhr, Dauer ca. 30 bis 45 Minuten) den privaten Bereich in den Fokus nehmen. Weiterführende Informationen finden Sie unter https://gehezu.link/1sn9.

 

 

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