Wirtschaftsflügel der Union fordert Umdenken
Im Finanzministerium verweist man darauf, dass es einen Puffer in der Verschonungsregelung gibt. Wer die 85-prozentige Regelverschonung wählt, muss demnach in den fünf Folgejahren insgesamt 400 Prozent der ursprünglichen Lohnsumme erreichen. Und wer die 100-Prozent-Verschonung gewählt hat, muss in sieben Jahren 700 Prozent der Lohnsumme halten. In diesem Fall gibt es keinen Puffer.
Angesichts des tiefen Konjunkturabsturzes im vergangenen Jahr und der anhaltend schlechten Wirtschaftslage in vielen Branchen stellt sich die Frage, ob und wem der Puffer etwas nutzt. Der unerwartete Konjunktureinbruch hat die Mittelfrist-Pläne der Unternehmen zunichte gemacht. Viele Firmen werden lange brauchen, wieder zu alter Stärke zurückzufinden.
Armon-Geschäftsführerin Junglas-Mummert sagt: „Unser Unternehmen ist heute schätzungsweise nur noch halb so viel wert wie zur Zeit der Übernahme.“ Für eine mögliche Erbschaftsteuer-Nachzahlung gelte nun, dass die Nachfolgegeneration Steuern auf einen Unternehmenswert zahlen müsste, „den es nun nicht mehr gibt“. Und dies „in Zeiten, in denen das Unternehmen ganz andere Herausforderungen zu meistern hat“.
Ihre Argumente stoßen beim Wirtschaftsflügel der Union auf Verständnis. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, spricht von einer „besorgniserregenden Situation“. Weil die Vermögen von Familienunternehmern fast komplett im Betrieb gebunden seien, müsse eine anfallende Erbschaftsteuer auch meist aus dem Betriebsvermögen finanziert werden, sagt Steiger. Damit würde dem Unternehmen massiv Eigenkapital entzogen oder es müsse über Kredite finanziert werden. „Beides hat nicht nur Folgen für die Bonität des Unternehmens, sondern auch auf seine Fähigkeit in Arbeitsplätze, Anlagen und Produkte zu investieren“, warnt der Chef der parteinahen Wirtschaftsorganisation. „Hier muss die Politik zügig Vorkehrungen treffen, damit die Corona-Pandemie nicht zusätzliche negative Fernwirkungen auslöst.“
Problemfall Insolvenz
Unionsfraktions-Vize Carsten Linnemann räumt vor allem in Bezug auf die Kurzarbeit Handlungsbedarf ein. „Die Regelungen des Erbschaftsteuerrechts berücksichtigen Kurzarbeit nicht ausreichend.“ Dass Arbeitgeber ihr Unternehmen mit Kurzarbeit über die Krise zu retten versuchten, sei von der Politik ausdrücklich gewünscht, sagt der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung. Dann dürfe es den Familienunternehmern aber bei der Erbschaftsteuer nicht zum Nachteil führen. „Deshalb sollten wir das Erbschaftsteuerrecht so anpassen, dass die Kurzarbeit in den beiden Krisenjahren wie eine Fortsetzung der Lohnzahlungen gewertet wird“, schlägt Linnemann vor.
Die Vorschläge der Familienunternehmer gehen allerdings noch weiter. Eben-Worlée fordert, bei der Anwendung der Verschonungsregelung im Erbschaftsteuergesetz für die beiden Corona-Jahre 2020 und 2021 die Lohnsummenregelung beim Generationenübergang nicht greifen zu lassen. Für viele Betriebe sei dies überlebenswichtig. Der Wirtschaftsweise Lars Feld plädiert für den gleichen Weg und spricht sich für eine entsprechende Fristverlängerung bei den Verschonungsregeln aus.
Die Erbschaftsteuer bedroht nicht nur die durch Erbschaft oder Schenkung übertragenen Unternehmen, die ums Überleben ringen. Auch Betriebe, die diesen Kampf schon verloren haben, lässt der Fiskus nicht ungeschoren. Denn wer die Verschonungsregel in Anspruch genommen hat, ist verpflichtet, den Betrieb mindestens fünf Jahre fortzuführen. Bei einer 100-prozentigen Verschonung gilt sogar eine Frist von sieben Jahren. Schon die gerichtliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb dieses Zeitraums ist demnach ein Verstoß gegen die Verschonungsregel und hat zur Folge, dass die Erbschaftsteuer auf das einmal übertragene Unternehmen erhoben wird. Und dass, obwohl der insolvente Betrieb im Zweifel gar nichts mehr wert ist.
„Auch im Insolvenzfall wird die Erbschaftsteuer fällig, weil rückwirkend die Verschonung wegfällt“, sagt Christian Rech vom Deutschen Steuerberaterverband (DStV). Das sei nicht nachvollziehbar. Zumal in solchen Fällen die Steuer dann aus dem Privatvermögen geleistet werden müsse. Kein Unternehmensnachfolger gehe absichtlich und geplant in die Insolvenz. Recht schimpft: „Unternehmerisches Engagement auch noch zu bestrafen, wenn der Betrieb den Bach runtergeht, ist auch moralisch fragwürdig.“