Hauskäufern droht die Schuldenfalle

Mit einem Kommentar von

Tobias Geiler

Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Certified Public Accountant

Wegen hoher Zinsen fahren viele Kreditnehmer die Tilgung zurück und schieben die Schuldenfreiheit immer weiter in die Zukunft. Auch die Objekte selbst werden zum Problem

Der Wunsch nach einem Eigenheim ist ungebrochen bei vielen deutschen Bürgern. Während die hohen Preise und die rasant gestiegenen Bauzinsen viele Bau- und Kaufinteressenten inzwischen abschrecken, halten andere deshalb eisern an ihrem Haustraum fest – und gehen bei der Finanzierung zunehmend hohe Risiken ein.

Wie der Kreditvermittler Dr. Klein beobachtet, können viele Kunden die hohen Zinsen von teils mehr als vier Prozent zwar schultern. Dafür aber machen sie Abstriche bei der Tilgung, um die gesamte Monatsrate doch noch stemmen zu können. Den Vermittlern zufolge habe die durchschnittliche anfängliche Tilgungsrate für Erstfinanzierungen im Februar noch bei knapp 2,8 Prozent gelegen. Bis zum Oktober sank sie dann aber auf 2,27 Prozent. Die Folge: Die Rückzahlung der Kredite dauert immer länger, die Schuldenfreiheit liegt immer weiter in der Zukunft. Und wenn zwischendurch die Zinsbindungsfrist ausläuft, droht sogar eine Schuldenfalle.

Finanzierungsberater empfehlen weiterhin eine anfängliche Tilgung von zwei bis drei Prozent.

„Wer niedriger tilgt, zahlt länger das Darlehen ab und hat am Ende der Erstfinanzierung auch eine höhere Restschuld stehen“,

sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG. „Sollte es dann zu höheren Zinsen bei der Anschlussfinanzierung kommen, trifft dies härter als bei einem geringen Restbetrag.“ Denn wenn die Zinsbindungsfrist nach zehn oder sogar schon nach fünf Jahren ausläuft, wird neu gerechnet: Wie viele Schulden wurden getilgt, wie ist die Einkommenssituation und wie hoch die Belastung im Haushaltsbudget durch Mieten oder Energiekosten? Sind erst einige zehntausend Euro getilgt, könnte es ungemütlich werden.

Eine Beispielrechnung macht es deutlich: Bei einem Zins von vier Prozent und nur zwei Prozent anfänglicher Tilgung ist die Bilanz nach zehn Jahren Kreditlaufzeit ernüchternd: Von einem 400.000-Euro-Darlehen sind dann nach aktuellen Konditionen beim Vermittler Interhyp erst rund 100.000 Euro zurückgezahlt. Dafür hat die Bank mehr als 140.000 Euro Zinsen erhalten. Sollte innerhalb der zehn Jahre der Zins noch einmal um ein bis zwei Prozent gestiegen sein, steht man fast wieder am Anfang – mit der Perspektive auf weitere Jahrzehnte im Schuldendienst.

Eine weitere Rechnung ebenfalls auf Basis von Interhyp-Konditionen macht deutlich, wie viel Zeit es kostet, wenn man eine niedrige Tilgung wählt. Bis man den besagten 400.000-Euro-Kredit zurückgezahlt hat, vergehen bei einer Tilgung von zwei Prozent und einem Zinssatz von 4,5 Prozent effektiv fast 27 Jahre. Würde man hingegen mit jährlich vier Prozent tilgen, so wie es noch vor gerade mal einem Jahr, in Zeiten niedriger Zinsen üblich war, würde man die Schuldenfreiheit schon nach weniger als 17 Jahren erreichen.

Wird das Eigenheim also für viele zur Schuldenlast, bis weit ins Rentenalter hinein? Ganz so pessimistisch sieht es Jört Utecht, Vorstand der Interhyp-Gruppe, nicht.

„Eine niedrige Tilgung führt nicht notwendigerweise zu längeren Laufzeiten“,

sagt er. Das liege am Annuitäteneffekt: Bei hohen Zinsen steige auch der Tilgungsanteil an der monatlichen Rate schneller. Nach zehn oder 15 Jahren tilgt man mehr als man Zinsen zahlt. Was Utecht dabei nicht erwähnt: Damit dieser Effekt auch funktioniert, muss man insgesamt eine viel höhere Monatsrate schultern als es üblich oder sogar tragfähig ist.

Wer für sich ein Traumhäuschen sucht, wird jedoch stets überlegen, wie viel Geld im Monat wirklich übrig ist fürs Eigenheim. Ein paar Prozentpunkte mehr machen je nach Kreditsumme vierstellige Beträge aus. Und so gehen die Hauskäufer zurzeit weitere Kompromisse ein, wie Vermitter Dr. Klein feststellt. Sie sparen nicht nur am Schuldendienst, sondern auch an der Immobilie selbst. Das kann etwa abgelesen werden an der Anzahl der Kreditabschlüsse für Neubauten im Vergleich zu Bestandsimmobilien. Ein neues Eigenheim oder eine neue Eigentumswohnung vom Bauträger kosten wegen der enorm gestiegenen Baupreise durchaus 20 bis 30 Prozent mehr als ein vergleichbarer Altbau.

Deshalb machen Käufer seit einigen Monaten einen weiten Bogen um exklusive Eigentumswohnungen, die von Projektentwicklern immer noch auf den Markt geworfen werden. Zumindest bei Dr. Klein ist der Anteil der Kredite für Neubauwohnungen von zwölf Prozent im März auf nur noch vier Prozent im Oktober gefallen. Beim neu gebauten Eigenheim gab es einen Einbruch von 22 auf zwölf Prozent. Umgekehrt verteilte Dr. Klein deutlich mehr Baugeld für Gebrauchtimmobilien: Von 66 Prozent im März stieg der Anteil der Kredite im Baubestand auf 84 Prozent im Oktober.

„Aktuell ist jede dritte Immobilie, die den Besitzer wechselt, zwischen 43 und 72 Jahre alt“, so die Dr.-Klein-Experten. Sogar Häuser aus den bautechnisch teils schwierigen 1950er-Jahren seien plötzlich gefragt. „Ältere Bestandsimmobilien sind günstiger, weil sie häufig modernisiert werden müssen“, so Dr. Klein-Chef Neumann. „Und gerade wenn die Energiebilanz mies ist, haben Käufer aktuell größere Verhandlungsspielräume.“

Doch damit holen sich die Käufer neben unter Umständen jahrzehntelangen Kreditzahlungen das nächste Risiko ins Haus, sprichwörtlich: „Zu leichtfertig sollte sich niemand in einen unsanierten Altbau flüchten“, warnt Neumann. Denn in den kommenden Jahren dürfte der Gesetzgeber immer aufwendigere Sanierungen von Eigentümern verlangen. Neben einer Wärmpumpe könnte es Solardachpflichten geben. Aus Brüssel drohen neue Vorgaben für bestimmte Effizienzstandards. Was man beim Kauf gespart hat, wird man dann in die Renovierung stecken müssen. Oder mehr. Wer dann knapp kalkuliert hat, sieht sich vielleicht nicht in der Tilgungs-Falle. Dafür aber in der Sanierungs-Falle.

Auf niedrigere Zinsen können Käufer vorerst nicht hoffen. „Die getrübten Konjunkturaussichten bremsen den Anstieg aktuell zwar ab und wir sehen eine Seitwärtsbewegung bei Werten knapp unter vier Prozent für zehnjährige Darlehen“, sagt Mirjam Mohr, Interhyp-Vorstand für das Privatkundengeschäft. Doch für die kommenden Wochen sei wenig Entspannung in Sicht. „Wir erwarten eher gleichbleibende bis schwankende Zinsen zwischen rund 4 bis 4,5 Prozent.“ Für die nächsten sechs bis zwölf Monate sieht es noch schlechter aus. „Die von uns befragten Experten erwarten leicht steigende Zinsen“, so Mohr. Die Gefahr von in die Länge gezogenen Baukrediten oder Fehlkäufen bei Secondhand-Objekten dürfte also noch zunehmen.

BANSBACH kommentiert

Der Autor beschreibt die zutreffend, dass bei gleicher bleibender Annuität (Zins und Tilgung zusammen) bei steigendem Zins die Tilgungshöhe abnimmt. Allerdings differenziert er nicht zwischen selbstgenutzten Wohnimmobilien und betrieblich genutzten bzw. vermieteten Immobilien. Selbst genutzte Wohnimmobilien sind steuerlich irrelevant, die Annuität entspricht auch dem Liquiditätsabfluss. Bei vermieteten Immobilien oder Immobilien, die vermietet oder unternehmerisch genutzt werden, stellen Zinszahlungen Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Hinsichtlich der Liquiditätsbelastung sind die erhöhten Zinsaufwendungen um die dadurch entstehenden Steuerminderungen zu kürzen. Wenn Sie wissen möchten, welche Zins- und Tilgungsleistung Sie sich unter Berücksichtigung steuerlicher Effekte leisten können, sprechen Sie uns an.

Zum Ende des Artikels geht der Autor auf den Erwerb von Bestandsimmobilien ein. Diese sind nach seinen Ausführungen 20 % -30 % günstiger als Neuimmobilien, allerdings besteht hier möglicherweise Sanierungsbedarf. Auch hier spielt das Steuerrecht eine gewichtige Rolle. Für manche Sanierungen stehen finanzielle Förderungen (z. B. durch Zuschüsse oder verbilligte Darlehen, insbesondere für energetische Sanierungen) zur Verfügung, möglicherweise auch steuerliche Subventionen durch Sonderabschreibungen. Handelt es sich um vermietete oder betrieblich genutzte Objekte, können Sanierungsaufwendungen grundsätzlich als Werbungskosten/Betriebsausgaben steuerlich geltend gemacht werden, sofern es sich nicht um Herstellungskosten handelt. Die Abgrenzung ist hier nicht unproblematisch und regelmäßig Gegenstand von Diskussionen mit den Steuerbehörden. Erwägen Sie den Kauf einer Bestandsmmobilie und planen Sie deren Renovierung, empfehlen wir Ihnen dringend, sich vorab über die steuerlichen Konsequenzen und etwaige Fördermittel beraten zu lassen. Wir stehen als kompetente Ansprechpartner gern zur Verfügung.

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