Mangelware Gründergeist: Nur wenige Start-ups schaffen es nach oben

Mit einem Kommentar von

Jens Otto

Steuerberater

Von Überfliegern und Underdogs

Es gibt sie, die Emporkömmlinge, die mit neuen, digitalen Geschäftsmodellen die Liga der altehrwürdigen Milliardenumsatz-Konzerne aufmischen. Zalando ist der bekannteste. Der Online-Händler, der vor sieben Jahren erstmals in das Top-500-Ranking einzog, ist mittlerweile mit knapp 6,5 Milliarden Euro Umsatz schon auf Platz 116 vorgerückt. In dieser Zeit konnten die Berliner den Umsatz im Durchschnitt um 66 Prozent pro Jahr steigern.

Auch Auto1 macht auf sich aufmerksam. Der „Wir kaufen Dein Auto“-Erfinder ist zum vierten Mal im Ranking gelistet und belegt mit 3,5 Milliarden Euro Umsatz Rang 214. Das Wachstum der letzten drei Jahre lag im Schnitt bei 44 Prozent.

Auch Hello Fresh (1,81 Mrd. Euro Umsatz, Rang 378), Zoo Plus (1,52 Mrd. Euro Umsatz, Rang 416) und Delivery Hero (1,46 Mrd. Euro Umsatz, Rang 435) haben mittlerweile die Milliarden-Euro-Umsatz-Schwelle überschritten und wachsen kräftig. Die Folge: Der E-Commerce ist derzeit unter den großen 500 deutschen Unternehmen die wachstumsstärkste Branche.

Auf der anderen Seite: Der digitale Nachwuchs ist unter den deutschen Top 500 noch so dünn vertreten, dass er das Wachstum insgesamt kaum spürbar beeinflussen kann. Werden die genannten jungen E-Commerce-Anbieter herausgerechnet, liegt das durchschnittliche Top-500-Wachstum bei 2,45 Prozent, mit ihnen sind es 2,54 Prozent. Gerade in der Corona-Krise könnten mehr Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen die Umsatzentwicklung stabilisieren.

„Start-ups sind in Krisen oft Teil der Lösung, aber das kann ich bis jetzt diesmal nicht erkennen.“

Das sagt Professorin Svenja Falk aus dem Research der Unternehmensberatung Accenture. Und aktuell sieht sie in Deutschland auch wenig Aussicht auf eine kurzfristige Besserung. „Die Liquidität wird knapper. Jetzt in der Corona-Krise werden es Start-ups noch schwerer haben.“ Dabei werde hierzulande immer noch mit großer Leidenschaft gegründet. „Aber Start-ups mit interessanten Ideen verschwinden auch schnell wieder, weil sie aufgekauft werden“, sagt Svenja Falk. „Die Konzerne haben ihr Scouting in der Start-up-Szene sehr stark professionalisiert. Vielleicht wäre es aber manchmal besser, die Gründer würden länger ihre Freiheiten behalten.“

Denn in den Konzernen haben es die kreativen Ideen dann oft schwerer als erhofft. Die Anwaltskanzlei Noerr hat gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Strategie und Organisation der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität München (TUM) in einer Studie die Rolle des Topmanagements in der digitalen Transformation von Großunternehmen und auch deren Übernahmen von Start-ups untersucht. „Seit ein paar Jahren beobachten wir vermehrte Käufe von jungen Firmen aus der Digitalwirtschaft. Oft wollen sich die Topmanager damit Potenziale für die Erneuerung der Geschäftsmodelle erschließen, um die Gefahr von Disruption zu verringern“, sagt Noerr-Rechtsanwalt Gerald Reger, der im Rahmen der Studie an Tiefen-Interviews mit Topmanagern teilnahm. Sehr viele große Unternehmen haben nach seinen Erfahrungen gut entwickelte Unternehmenseinheiten für das Scouting und für die Integration der Start-ups aufgebaut. Doch nach der Übernahme stehen alle Konzerne zwangsweise vor einem Dilemma: „Die neuen Mitarbeiter müssen die nötigen Freiheiten behalten und trotzdem in den Konzern integriert werden – ein schwieriger Spagat“, sagt Reger. In großen Einheiten seien eine Reihe von einengenden Anforderungen aufgrund der Konzern-Compliance sowie der Konzernberichts- und -beschlussprozesse aber unvermeidlich. Mitunter verlieren die Gründer und kreativen Leistungsträger dann nach der Integration die Lust, für den Konzern weiterzuarbeiten. „Die kreativen Köpfe machen aber den Wert des Start-ups aus. Wenn die nicht gehalten werden, ist meist nichts gewonnen“, meint der Experte für Firmenübernahmen.

TUM-Professorin Isabell Welpe, die die Studie wissenschaftlich begleitete, meint indes, dass die Erkenntnisse aus dem Scouting der Start-ups oft gar nicht ins Bewusstsein des Topmanagements rücken. „Es war erstaunlich, dass viele Führungskräfte keine Start-ups und neuen Geschäftsmodelle, die die eigenen Umsätze angreifen, genannt haben oder auch nennen wollten. Das hat mich überrascht, denn die Sorge vor Disruption besteht bei ihnen durchaus“, so Isabell Welpe. Sie hält es aber für wichtig, dass das Topmanagement eingebunden wird. „Denn dort muss entschieden werden, ob das Geschäftsmodell des potenziellen Disruptors kopiert, akquiriert oder ignoriert wird.“
Tendenziell sieht sie derzeit ein Problem darin, wenn Akquisitionen der großen Unternehmen in erster Linie darauf abzielen, die neue Technologie der Start-ups in bestehende Geschäftsmodelle zu integrieren. „So können Konzerne aber nicht selbst zu Disruptoren werden. Dazu müssten sie ihr Geschäftsmodell mit neuem Know-how verändern und manchmal sogar ersetzen“, sagt Isabell Welpe.

Digitale Transformation ist Chefsache

Nach den Erkenntnissen der Professorin kommt die digitale Transformation vor allem in den Firmen gut voran, in denen sie Chefsache ist. Skeptisch ist sie hingegen, wenn ein Chief Digital Officer im Vorstand etabliert wird. „Die Aufnahme eines CDOs in den Vorstand ist grundsätzlich nicht verkehrt. Sie birgt aber das Risiko, dass die anderen Vorstände bei der Digitalisierung dann weniger aktiv sind und sich weniger in der Verantwortung fühlen. Heute muss aber jede einzelne Führungskraft in jedem Unternehmensbereich die Digitalisierung mit voranbringen.“

BANSBACH kommentiert

Der Artikel beschreibt das „Dilemma“ aus der Sicht der übernehmenden Konzerne. Während starre Konzernstrukturen häufig die Innovationskraft der erworbenen Start-ups lähmen, besteht aus der Sicht der Jungunternehmer häufig nicht nur ein monetäres Interesse beim Verkauf. Start-ups haben oft die Erwartung, als Innovationstreiber mit den Ressourcen eines Global Players weiterhin ihre Identität soweit als möglich zu bewahren. Die grundlegenden Entscheidungen hierüber werden dabei bereits mit der Form des Verkaufs getroffen: Bei einem Asset Deal geht das Startup im erwerbenden Unternehmen auf, bei einem Share Deal bleibt (zunächst) die Identität erhalten. Der Umfang eines Anteilsverkaufs, Stimmrechtsvereinbarungen wie auch die Ausgestaltung des Geschäftsführervertrags nehmen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Startups im Konzern eines Erwerbers.

Wenn Sie in den kommenden Jahren den Verkauf Ihres Start-ups in Erwägung ziehen, lassen Sie uns frühzeitig über Strategien und Ziele sprechen.

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