Mehr statt weniger Bürokratie

Mit einem Kommentar von

Claudia Mickeler

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin

Deutschland muss dafür sorgen, dass alle Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. So will es die EU. Die Regierung rechnet mit Kosten von 1,4 Milliarden Euro.

Eigentlich beteuert die Bundesregierung ständig, dass sie die Bürokratie abbauen will, um die Wirtschaft zu entlasten. Doch ausgerechnet ein Gesetzentwurf aus dem Justizministerium von Marco Buschmann (FDP) sorgt nun in Teilen der Wirtschaft für Empörung, weil damit nicht weniger, sondern mehr Bürokratie geschaffen wird – mit Milliardenkosten für die heimischen Unternehmen. Konkret geht es um ein Gesetz, mit dem eine Vorgabe der Europäischen Union (EU) umgesetzt werden soll, wonach jedes größere Unternehmen künftig zu einem Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet werden soll.

Der Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium vermittelt einen guten Eindruck, wie massiv die Bürokratie in Deutschland bereits vorhanden ist. Schon der Titel könnte kaum verworrener sein: „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen“, lautet die Überschrift. Es folgt auf zwei Seiten eine Auflistung von fast 30 Gesetzen und Verordnungen, die durch das Gesetz geändert werden sollen.

Außerdem beziffert das Ministerium von Buschmann die Kosten, die es für die Wirtschaft verursachen wird – und die sind gewaltig. Einmalig soll es durch die neue Pflicht zu einem sogenannten Erfüllungsaufwand von 748 Millionen Euro kommen. Doch damit nicht genug: Die jährlichen Kosten für die Unternehmen sind noch deutlich höher. Es sei mit einem „laufenden Erfüllungsaufwand in Höhe von jährlich ca. 1,4 Milliarden Euro zu rechnen“, schreiben die Beamten.

Und sie geben auch zu, dass es sich ausschließlich um Kosten handelt, die durch zusätzliche bürokratische Pflichten entstehen: „Der laufende Erfüllungsaufwand in Höhe von jährlich ca. 1,4 Milliarden Euro setzt sich ausschließlich aus Bürokratiekosten aus Informationspflichten zusammen“, heißt es. So hoch sollen die Kosten für die Unternehmen spätestens 2028 ausfallen, wenn die Pflicht zum Nachhaltigkeitsbericht für alle Unternehmen in Kraft getreten ist. „Für das Geschäftsjahr 2024 wird die Belastung deutlich geringer sein, weil die erste Gruppe an berichtspflichtigen Unternehmen (große kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern) weniger Unternehmen umfasst“, versucht die Regierung zu beruhigen. Doch schon im kommenden Jahr sei die größte Steigerung zu erwarten.

Eigentlich hat sich die Bundesregierung selbst eine Regel auferlegt, die vorsieht, dass für jede neue bürokratische Anforderung auch mindestens eine alte gestrichen werden muss. Doch diese unter dem englischen Schlagwort „One in, one out“ (deutsch: „Eine rein, eine raus“) bekannte Regel soll diesmal nicht gelten. „Der zusätzliche laufende Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft unterliegt nicht der ‚One in, one out‘-Regel der Bundesregierung, weil er auf einer 1:1-Umsetzung von EU-Recht beruht“, heißt es in Buschmanns Entwurf.

Konkret geht es darum, dass alle Unternehmen künftig in ihren Geschäftsberichten einen neuen Passus einfügen müssen. Der Nachhaltigkeitsbericht soll Teil des sogenannten Lageberichts werden. „In den Nachhaltigkeitsbericht sind diejenigen Angaben aufzunehmen, die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten der Kapitalgesellschaft auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis und die Lage der Kapitalgesellschaft erforderlich sind“, heißt es in einem der zahlreichen Paragrafen, die eingefügt werden sollen. „Nachhaltigkeitsaspekte sind Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsfaktoren sowie Governance-Faktoren.“

Kritik an dem Entwurf kommt aus der Wirtschaft. „Wenn die Ampelregierung von Bürokratieabbau spricht und zeitgleich ein Gesetz auf den Weg bringt, das jährlich 1,4 Milliarden Euro neue Bürokratiekosten verursacht, ist das scheinheilig“, kritisiert Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). „Es zeigt zudem, wie teuer die Brüsseler Überregulierung für die Unternehmen in Deutschland ist.“

Die Politik habe es in den vergangenen Jahren mit der Bürokratie deutlich übertrieben. „Im Angesicht der schwierigen aktuellen konjunkturellen Lage wäre die Politik gut beraten, den bürokratischen Druck auf die krisengeplagten deutschen Unternehmen nicht noch zu verstärken“, fordert Jandura. „Es braucht weniger Misstrauen anstatt weitere Bürokratiemonster.“ Der Großhandelspräsident fordert zwar nicht, dass die Bundesregierung die Vorgabe aus Brüssel nicht umsetzen soll. Es müssten aber dann andere bürokratische Regeln im Gegenzug gestrichen werden. Die Wirtschaftsverbände hätten bereits ausreichend Vorschläge gemacht, welche Regelungen ersatzlos wegfallen können, erklärte ein BGA-Sprecher.

„Das vom Bundeskanzler versprochene Belastungsmoratorium ist das jedenfalls nicht“, sagt Jandura. Obwohl der neue Gesetzentwurf aus einem FDP-geführten Ministerium kommt, sieht er die Verantwortung für die immer neuen bürokratischen Regeln bei einer anderen Ampel-Partei. „Die Bundesregierung und vor allem die Grünen setzen weiterhin auf dogmatische Parteipolitik, obwohl sie endlich wirtschaftspolitisch denken sollten“, sagt er. Außerdem zweifelt der Großhandelspräsident schon jetzt an den von der Regierung genannten Kosten: „Die Erfahrung lehrt, dass sie damit wahrscheinlich zu optimistisch rechnet.“

BANSBACH kommentiert

Machen wir uns nichts vor: Trotz allen Wetterns gegen die Nachhaltigkeitsberichterstattung, scheint eine solche (oder zumindest ähnliche) Maßnahme sinnvoll und notwendig. Denn wenn sich der Wohlstand eines Unternehmens, eines Landes oder Verbundes darauf berufen muss, dass entlang von Wertschöpfungsketten Arbeitende unfair behandelt oder gar ausgebeutet werden, muss man sich fragen, wie viel dieser Wohlstand tatsächlich wert ist.

Trotzdem sollten wir uns kurz über den Generalverdacht unterhalten, unter den sich viele – vor allem kleine Firmen – in der Morgendämmerung der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) gestellt fühlen. Diese Stimmung spiegelt wahrscheinlich das Unverständnis wider, sich an Gesetzen beteiligen zu müssen, die „eigentlich“ nicht für einen gelten. Denn viele kleine und mittlere Unternehmen, welche die Schwellenwerte für das Greifen der CSRD unterschreiten, gehören doch zur Lieferkette entsprechend großer Unternehmen und werden diesen (als ihren Kunden) Nachhaltigkeitsinformationen liefern müssen.
Damit sind auch die Unternehmen betroffen, die aufgrund ihrer Größe (denken wir beispielsweise an mittelständische Familienunternehmen) von selbst bereits nachhaltig handeln und sich „benehmen“: denn Strafen, wie beispielsweise Geldbußen, wirken sich weitaus verheerender auf kleinere Firmen aus.

Wenn Sie unseren Blog schon etwas länger verfolgen, haben Sie uns bestimmt schon häufiger über die Abwanderung von Unternehmen aus Deutschland gelesen. Außerdem auch davon, dass immer weniger Unternehmer in Deutschland und die EU investieren. Die USA und die Volksrepublik wirken weitaus liberaler für Investoren. Denn neben dem CSRD müssen auch das LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) und die CSDDD (europäische Lieferketten-Richtlinie) eingehalten werden. Anderswo scheint es einfacher zu gehen – doch geht es dort auch besser und fairer?
Doch es türmt sich einiges an Arbeit auf. Und die kostet. Investoren würde sie Gelder kosten. Deutschland und die Europäische Union wird der Schlag mit dem Bürokratiehammer ins eigene Gesicht Unternehmen kosten. Zudem Arbeitsplätze und Wirtschaft. Wie schwer die Auswirkungen sein werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Möglicherweise folgt den Bedenken auch nur ein leichter Wellengang und man entscheidet, dass die CSRD ein notwendiger Schritt in Richtung der Gleichbehandlung aller ist.

Zu guter Letzt: Wenn man sich als Regierung ein Mantra, wie „On in, one out“, auferlegt, sollte man es auch durchsetzen und sich nicht auf eine (angebliche) Fremdsteuerung durch die EU berufen. Denn so wird aus „One in, one out“ schnell „One in, another one in“. Es ist wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, welche Handlungsschritte Auswirkungen auf was haben. So wie die CSRD das jetzt zur Pflicht macht, sollte auch die Bundesregierung ein solches Bewusstsein pflegen. Vor allem, wenn es darum geht, Unternehmer zu entlasten – oder nicht.

Übrigens – Nachhaltigkeit liegt auch uns am Herzen und wir möchten Sie dabei unterstützen, Ihr Unternehmen nachhaltig zu entwickeln. Sprechen Sie mich hierzu gerne an.

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