Rente mit 68: Wirtschaftsweise wollen die Altersgrenze nach festen Regeln mit der steigenden Lebenserwartung anheben

Mit einem Kommentar von

Arne Tiemann

Wirtschaftsprüfer / Steuerberater

Die Altersgrenze für die Rente muss an die längere Lebenserwartung gekoppelt werden, fordern die Wirtschaftsweisen. Auch über 67 Jahre hinaus.

Die Deutschen sollen länger arbeiten und später in Rente gehen. Nur so könne das Rentensystem stabil bleiben und der Arbeitskräftemangel überwunden werden. Das fordern die Wirtschaftsweisen in ihrem Jahresgutachten, das sie am Mittwoch in Berlin vorgelegt haben. Der Sachverständigenrat schlägt vor, das Renteneintrittalter fest an die Entwicklung der späteren Lebenserwartung zu koppeln. Das Versprechen der Regierung, die Altersgrenze nicht über 67 Jahre hinaus anzuheben und das Rentenniveau zu halten, sei realitätsfern. Der Rat schlägt außerdem eine Reihe von Maßnahmen vor, um Härten bei der Rente und das spätere Armutsrisiko für Geringverdiener zu verringern.

Die Menschen in Deutschland sollen insgesamt länger arbeiten und später in Rente gehen. Das fordert der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen in seinem Jahresgutachten. Dies sei nötig, um die Rentenkassen stabil zu halten. Eine längere Lebensarbeitszeit sei auch zumutbar, schließlich leben die Menschen nach Rentenbeginn im Durchschnitt auch länger. Die Wirtschaftsweisen schlagen daher vor, die gesetzliche Altersgrenze für den Rentenbeginn fest an Entwicklung der Lebenserwartung zu koppeln.

Die Regelaltersgrenze wird in Deutschland bis 2031 schrittweise von aktuell 66 auf 67 Jahre angehoben. Dort soll sie nach dem Willen der Bundesregierung bleiben. Gleichzeitig verspricht die Regierung ein stabiles Rentenniveau. Damit steuern die Rentenkassen auf eine gefährliche Klippe zu. Denn durch die Alterung der Gesellschaft nimmt das Verhältnis zwischen Beschäftigten und Rentnern deutlich ab. Als Folge müssten entweder das Rentenniveau sinken, die Beiträge oder der staatliche Zuschuss steigen.

„In Deutschland wird der stärkste Alterungsschub in den nächsten 15 Jahren stattfinden“, schreibt der Rat. Bis 2025 wird sich die Zahl der über 65-Jährigen im Verhältnis zu den 20- bis 64-Jährigen fast verdoppeln. „Das Sicherungsniveau festzuschreiben, wie es die Bundesregierung aktuell plant, ist keine nachhaltige Lösung, sondern verstärkt den absehbaren Anstieg der Beitragssätze noch.“ Dies verschärfe die Verteilungskonflikte zwischen Beschäftigten und Ruheständlern.

Renteneintritt: So berücksichtigen andere Länder die Lebenserwartung

Andere Länder haben den Rentenbeginn bereits fest an die Lebenserwartung gebunden. In Dänemark, Estland, Griechenland und Italien gilt dies eins zu eins. Steigt die Lebenserwartung um ein Jahr, verschiebt sich auch der gesetzliche Rentenbeginn um ein Jahr. In Finnland, den Niederlanden und Portugal beträgt das Verhältnis drei zu zwei. Steigt die Lebenserwartung um ein Jahr, erhöht sich das Renteneintrittsalter um zwei Drittel, also acht Monate, die Zeit des Rentenbezugs verlängert sich um ein Drittel, also vier Monate.

Nicht nur der Anteil der Rentner nimmt zu. Auch die Dauer ihres Rentenbezugs, also die Lebenszeit nach Rentenbeginn ist deutlich gestiegen. 1980 betrug sie bei Männern im Durchschnitt 11,0 und bei Frauen 13,8 Jahre. 2022 lag die Lebenserwartung nach Rentenbeginn für Männern bereits bei 18,8 Jahren und bei Frauen bei 22,2 Jahren.

Der Sachverständigenrat lässt die Formel für die Kopplung von Lebenserwartung und Renteneintritt offen. Er fordert aber, bei der Rente endlich Realität anzuerkennen: „Kein Weiter so bei der Renten: Eine Kombination mehrerer Reformmaßnahmen ist unverzichtbar.“

Neben einem späteren Rentenbeginn müsse die umlagefinanzierte Rente durch eine Kapitaldeckung ergänzt werden. Bisher zahlen die aktiv Beschäftigten über eine Umlage die Renten für die Ruheständler. Bei einer Kapitaldeckung würde Kapital für spätere Renten angespart. Der Sachverständigenrat schlägt dazu auch einen öffentlich verwalteten Pensionsfonds nach skandinavischem Vorbild vor. Und: Der Staat solle Kindern und Jugendlichen ab dem sechsten Geburtstag monatlich Anteile an einem solchen Fonds im Wert von zehn Euro schenken. Mit diesem Startkapital sollten junge Generationen früher an Geldanlage und Altersvorsorge herangeführt werden.

Eine Anpassung fordert der Rat auch beim Niveau der Bestandsrenten. Um dadurch drohende soziale Härten und Altersarmut zu vermeiden, sollten die Renten „progressiv“ gestaltet werden. „Bei einer progressiven Rentenbemessung erwerben Personen mit niedrigem Jahreseinkommen überproportional hohe Rentenansprüche und Personen mit hohem Jahreseinkommen entsprechend geringere Ansprüche.“ Härtefallregeln müsse es auch bei der Lebensarbeitszeit für gesundheitlich besonders belastete Versicherte geben.

Spätere Rente gegen den Arbeitskräftemangel

Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit sei aber nicht nur für die Rentenkassen wichtig. Es mildere auch den Mangel an Arbeitskräften. Darin sieht der Sachverständigenrat den wichtigsten Grund dafür, dass Deutschland seine Wachstumskraft fast vollständig zu verlieren droht. Das Wachstumspotenzial sinke auf den historischen Tiefstwert von 0,4 Prozent im Jahr, warnen die Ökonomen. Um ihre Renten und ihren Wohlstand zu sichern, müssten die Deutschen mehr arbeiten.

Der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ ist das wichtigste Beratergremium der Bundesregierung für Wirtschaftsfragen. Ihm gehören fünf Mitglieder an. Aktuell sind mit Veronika Grimm, Monika Schnitzer und Ulrike Malmendier erstmals Professorinnen in der Mehrheit. Den Rat komplettieren Ulrich Truger und Martin Werding. Seit Oktober 2022 ist Monika Schnitzer die erste Vorsitzende des Gremiums, das auch „die fünf Wirtschaftsweisen“ genannt wird.

BANSBACH kommentiert

Betrug die durchschnittliche Rentenbezugsdauer 1960 noch 9,9 Jahre, hat es sich bis 2019 auf 19,9 Jahre gut verdoppelt. Für Ruheständler ist das natürlich eine sehr positive Entwicklung, denn das Renteneintrittsalter hat sich seitdem kaum verändert – was kurzum mehr Zeit im wohlverdienten Ruhestand bedeutet.

Wer diese Daten realistisch betrachtet, muss allerdings begreifen, dass ein solches Konstrukt auf Dauer nicht tragbar sein kann. Das ist natürlich kein angenehmer Standpunkt, den es zu vertreten gilt, aber immerhin ein ehrlicher.

Dass eine Anhebung des Rentenalters bei den wenigsten gut ankommt, zeigt eine Civey-Umfrage: 70 Prozent der Befragten lehnen eine längere Lebensarbeitszeit ab. Was aber spricht allgemein gegen die Rente mit 68, 69 oder gar 70? Vor allem, wo die durchschnittliche Lebenserwartung weiter steigt.

Viele Arbeitnehmende erreichen das gesetzliche Rentenalter nicht – oder können es nicht erreichen. Menschen, die in körperlich schwer belastenden Berufen arbeiten, sehen sich häufig gezwungen, längere Zeiten mit Arbeitslosen- oder Krankengeld zu überbrücken, bis sie in eine verfrühte Rente gehen können, die mit hohen Abschlägen einhergeht.

Dazu kommt das Problem der Altersarmut. Ein Arbeitnehmer, der das deutsche Durchschnittseinkommen (Stand April 2022 4.105 € brutto) verdient, muss satte 30 Jahre in die Rentenkasse einzahlen, um eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung zu erhalten. Wer nur 70 Prozent davon verdient, muss 43 Jahre einzahlen. Das sind Problematiken, die eine längere Lebensarbeitszeit von einem, zwei oder drei Jahren nicht löst.

Eine mögliche Lösung, um das Rentensystem stabil zu halten, wäre eine zusätzliche Erhöhung der Rentenbeiträge. Bis 2025 gilt weiterhin die sogenannte „Haltelinie“ für Rentenbeiträge von 20 Prozent (aktuell 18,6 Prozent, die sich Arbeitnehmer und -geber fair teilen). Sie schreibt auch fest, dass das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent des Durchschnittslohns sinken darf. Ab 2026 könnte also auch das Rentenniveau sinken, um dem Rentenproblem entgegenzuwirken. Außerdem könnten auch Selbstständige und Beamte in die Gruppe der Beitragszahler mit aufgenommen werden.

Arbeitnehmer können dem Problem allerdings auch aktiv entgegenwirken, ohne auf eine Lösung der Bundesregierung zu warten: mit einer privaten Altersvorsorge. Für Durchschnittsverdiener scheint die ohnehin notwendig, soll der Lebensabend nicht sehr sparsam verbracht werden.

Sollten Sie Überlegungen treffen, um Ihre persönliche Altersvorsorge mit einem Blickwinkel zu betrachten, ist BANSBACH gerne für Sie da.

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