Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung klagen über Fachkräftemangel – das sind die Gründe

Mit einem Kommentar von

Arne Tiemann

Wirtschaftsprüfer / Steuerberater

Eine neue Forsa-Umfrage zeigt: 93 Prozent der sogenannten „Blue-Collar“-Unternehmen haben Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen.

Blue-Collar-Jobs sind unter anderem Berufe im Handwerk, der Industrie, dem Einzelhandel oder anderen Dienstleistungsbereichen. 83 Prozent der Unternehmen gaben an, dass es generell zu wenig Arbeitskräfte auf dem Markt gibt. 62 Prozent klagten über unzureichende fachliche Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber. Gleichzeitig sind 37 Prozent der Blue-Collar-Arbeitnehmer offen für einen Jobwechsel. Mit 21 Prozent ist jeder fünfte Beschäftigte sogar eher oder sehr unzufrieden mit der aktuellen beruflichen Situation.

Trotz wirtschaftlicher Turbulenzen und einer rückläufigen Zahl an Stellenangeboten auf dem deutschen Arbeitsmarkt können viele Unternehmen ihre sogenannten Blue-Collar-Jobs nicht besetzen. Damit sind Berufe gemeint, die überwiegend körperliche Arbeit erfordern, zum Beispiel in den Bereichen Handwerk, Industrie, Einzelhandel oder Dienstleistungsberufen. Laut Statistischem Bundesamt sind das derzeit rund 80 Prozent der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eine neue Analyse, die von Forsa im Auftrag von onlyfy by Xing durchgeführt wurde, zeigt die Ausmaße des Fachkräftemangels: 93 Prozent der befragten Unternehmen sehen sich demnach mit Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen konfrontiert.

Befragt wurden insgesamt knapp 2000 Menschen in Deutschland, darunter mehr als 1000 Blue-Collar-Arbeitnehmer und 200 HR-Entscheider, die überwiegend Personal in diesem Segment einstellen.

Die Gründe für den anhaltenden Fachkräftemangel sind den Forsa-Ergebnissen zufolge vielfältig: 83 Prozent der Unternehmen gaben an, dass es generell zu wenig Arbeitskräfte auf dem Markt gibt. 62 Prozent klagten über unzureichende fachliche Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber. Für 55 Prozent sind die Gehaltsansprüche der Kandidaten zu hoch. Infolgedessen dauert es bei 44 Prozent der Unternehmen drei bis sechs Monate, eine Stelle neu zu besetzen. Besonders betroffen sind der Dienstleistungssektor und die Industrie. Hier sagten je 95 und 94 Prozent der Unternehmen, dass sie kein Personal finden, gefolgt vom Handel mit 88 Prozent.

Viele Blue Collar-Angestellte wollen den Job wechseln – das verschärft den Fachkräftemangel

Gleichzeitig sind 37 Prozent der Arbeitnehmer offen für einen Jobwechsel. Mit 21 Prozent ist jeder fünfte Beschäftigte sogar eher oder sehr unzufrieden mit der aktuellen beruflichen Situation. Zum Vergleich: Bei den sogannten „White Collar Workers“, also klassischen Büroangestellten, sind es nur 14 Prozent. Besonders bei der Generation Z, den Arbeitnehmern zwischen 18 und 29 Jahren, ist die Bereitschaft, den Job zu wechseln, mit 59 Prozent besonders hoch.

Frank Hassler, verantwortlicher Vorstand für das Geschäftsfeld Recruiting und Employer Branding der New Work SE, betont: „Der Wettbewerb um Arbeitskräfte, die nicht in klassischer Büroarbeit tätig sind, ist härter als je zuvor. Es handelt sich um einen deutlichen Arbeitskräftemangel, der unabhängig von Konjunkturschwankungen besteht.“ Unternehmen im Handwerk, der Hotellerie oder im Einzelhandel sollten innovative Rekrutierungsstrategien entwickeln und verstärkt auf die Bedürfnisse der Jobsuchenden eingehen, um langfristig erfolgreich zu sein, so Hassler.

Blue Collar-Worker wünschen sich Flexibilität, Sicherheit und mehr Geld

Doch warum sind die Arbeitskräfte so unzufrieden? Die Umfrage zeigt, dass 45 Prozent der Befragten über eine zu hohe Arbeitsbelastung klagen. Auch das Gehalt (39 Prozent) und das Verhalten von Kollegen (35 Prozent) und Führungskräften (34 Prozent) stört die Arbeitnehmer.

Jobsicherheit spielt für einen Großteil der Angestellten eine große Rolle: 74 Prozent sagen, dass dieser Faktor für sie am wichtigsten bei der Wahl eines potenziellen neuen Arbeitgebers sei. Ein attraktiver Standort und eine pünktliche Bezahlung sind mit je 69 Prozent ebenfalls wichtig. Außerdem wünschen sich 64 Prozent ein gutes Führungsverhalten von ihren neuen Vorgesetzten.

Frank Hassler betonte abschließend: „Bei der Diskussion um den Fachkräftemangel wird oft zu wenig auf die Bedürfnisse von Blue-Collar-Arbeitnehmern geachtet. Unternehmen müssen sich zukunftsfähig aufstellen und die Wünsche dieser Gruppe ernst nehmen, da sie die Mehrheit des Arbeitsmarktes ausmachen.“ Die Analyse zeige immerhin, dass die flexible Arbeitszeitgestaltung auch für die Blue-Collar-Angestellten von großem Interesse sei. Unternehmen müssten sich verstärkt damit auseinandersetzen, wie sie als potenzieller Arbeitgeber attraktiver werden, um den Fachkräftemangel zu bewältigen.

BANSBACH kommentiert

Lassen Sie uns die Berufsgruppen, die zu den sogenannten „Blue-Collar“-Unternehmen gehören, einmal genauer betrachten. Dazu gehören: Handwerker, Fabrikmitarbeiter, Mitarbeiter in der Logistik und der Lebensmittelindustrie, Handels- und Gastronomie-Mitarbeiter sowie Bauarbeiter und Pflege- und Gesundheitspersonal.

Die frei einzusehende Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur Engpassbewertung zeigt, dass beinahe alle dieser Berufsgruppen „Anzeichen eines Engpasses“ aufweisen. Vor allem die Pflege sowie Berufe im Baugewerbe sind davon schwer betroffen.

Die Gründe der Unzufriedenheit von Blue-Collar-Arbeitskräften sind im Artikel glasklar dargelegt. Eine kurze Analyse der Gründe kann jedoch helfen, das komplizierte Geflecht des Fachkräftemangels zumindest ein wenig zu entzerren.

Zur Arbeitslast: Die als zu hoch angegebene Arbeitslast lässt sich (teilweise) leicht erklären: Gibt es in einer Branche zu wenig Arbeitskräfte, so steigt die Belastung pro Person natürlich an. Personalengpässe müssen von denjenigen ausgeglichen werden, die möglicherweise aus eben diesem Grund dafür sorgen, dass sie entstehen.

Zur Jobsicherheit: Vor allem in herstellenden Berufen kommt es häufig vor, dass Mitarbeitenden gekündigt wird, sobald sich eine schlechte Auftragslage ankündigt – und dass wiederum neue Kollegen gesucht werden, sobald die Auftragslage entspannt ist. Viele Blue-Collar-Angestellte arbeiten nicht in dem Beruf, den sie sich für sich selbst wünschen. Das macht sie nicht weniger motiviert – es sorgt eher dafür, dass sie sich als sehr loyale Mitarbeitende herausstellen, wenn man ihnen eine sichere Arbeitsstelle bietet. Denn im Gegensatz zu akademischen Arbeitskräften, die häufig durch ihre Aufgaben selbst motiviert werden, haben Blue-Collar-Worker einen konkreteren Grund, ihren aktuellen Job auszuüben: Sie wollen und müssen für sich und ihre Familien sorgen.

Wo von Arbeitgeberseite her über fachlich nicht ausreichend ausgebildete Arbeitnehmer geklagt wird, herrscht häufig auch der Zwang zum perfekten Mitarbeitenden. Der aber hat wahrscheinlich bereits eine Stelle, die ihm gibt, was er braucht und seine Bereitschaft zu wechseln ist überaus gering. Entsprechend sollten Arbeitgeber in Betracht ziehen, motivierten Bewerbern nötige Fähigkeiten beizubringen und so in ihre Loyalität und eine gemeinsame Zukunft zu investieren, statt Absagen zu erteilen.

Denn solange sich der Arbeitsmarkt nicht – wie er aktuell ist – von einem Arbeitnehmer zu einem Arbeitgebermarkt verändert, müssen Arbeitgeber umdenken, um Personal zu finden.

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